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Aus: Ausgabe vom 27.11.2025, Seite 7 / Ausland
Krieg gegen Palästinenser

Israel forciert Gazas Teilung

Tel Aviv befestigt Grenzlinie im Küstenstreifen. Pläne zum Bau eingezäunter Siedlungen bekanntgeworden
Von David Siegmund-Schultze
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Israels Militär hat Steine zur Markierung der neuen Grenze aufgestellt – meist 300 bis 900 Meter von der »gelben Linie« entfernt (Gaza-Stadt, 21.11.2025)

Rot und grün – im Gazastreifen markieren diese beiden unscheinbaren Wörter wohl bald die Grenze zwischen einem Leben mit permanenten Angriffen bei mangelnder Versorgung und einem Leben in durch Israel errichteten und überwachten Siedlungen, in denen die Grundbedürfnisse befriedigt werden. Die Spaltung des Küstenstreifens in eine »rote« und eine »grüne Zone« entlang der zu Beginn des Waffenstillstands zwischen Tel Aviv und der Hamas festgelegten »gelben Linie« nimmt immer deutlichere Konturen an und scheint auf eine dauerhafte Zweiteilung hinauszulaufen. Das geht aus Recherchen der New York Times (NYT), des Wall Street Journals (WSJ) sowie einer am Montag veröffentlichten Analyse des Forscherkollektivs Forensic Architecture (FA) hervor.

Seit Inkrafttreten des sogenannten Waffenstillstandsabkommens am 10. Oktober hat die israelische Armee die »gelbe Linie« mit einer auf Dauer angelegten Militärpräsenz befestigt – samt Truppen, Panzern, Sperranlagen und neu verlegter Wasser- und Strominfrastruktur, wie das WSJ am vergangenen Freitag berichtete. FA belegt den Ausbau von militärischen Außenposten entlang der Linie mit Satellitenbildern – ebenso wie die fortwährende Zerstörung palästinensischer Gebäude in den 54 Prozent des Gazastreifens, die von Israel kontrolliert werden. Der Bau von zehn bis elf »alternativen Sicherheitsgemeinschaften« – Siedlungen, in denen jeweils zwischen 20.000 und 25.000 Menschen untergebracht werden können – sei in Planung, berichtete die NYT am Dienstag. Laut einem US-Offiziellen würden sie wohl »eher wie Flüchtlingslager oder sogar Internierungslager wirken als wie begehrte Wohngegenden«, heißt es in der Recherche – »umgeben von Zäunen, Überwachungskameras und Militärposten«. Eine Gruppe aus US-Diplomaten und -Regierungsbeamten sowie israelischen Großunternehmern treibe demnach die Pläne aus zwei Luxushotels in Tel Aviv voran.

Während in der »grünen Zone« laut WSJ bereits Teams von US-Militäringenieuren dabei helfen, Trümmer zu beseitigen, wird die »rote Zone« – in der sich nahezu alle Palästinenser befinden, die den Genozid überlebt haben – sich selbst überlassen. Schweres Gerät oder Materialien zum Wiederaufbau werden nicht in das Gebiet gelassen. Der in der »grünen Zone« in den Startlöchern stehende »Wiederaufbau« läuft dagegen auf die dauerhafte Auslöschung des palästinensischen Vorkriegsgazas hinaus.

Die Aussichten auf eine Einigung über die zweite Phase des sogenannten Friedensplans von Trump werden derweil immer schlechter. Am Dienstag sind Vertreter der Vermittlerstaaten Ägypten, Katar und Türkei in Kairo zusammengetroffen, um über das Abkommen zu beraten. Die palästinensischen Fraktionen inklusive der Hamas lehnen den am 17. November im UN-Sicherheitsrat angenommenen Plan des US-Präsidenten ab. Dieser sieht vor, dass ein von Trump geleiteter »Friedensrat« die oberste Autorität im Gazastreifen innehat, ausländische Truppen sollen die Hamas entwaffnen. Der Abzug der israelischen Armee wird darin nicht konkretisiert.

Solange die Menschen in Gaza angegriffen werden und unter Besatzung stehen, verweigern die palästinensischen Fraktionen ihre Entwaffnung, erklärte der US-Journalist Jeremy Scahill unter Berufung auf hochrangige palästinensische Quellen am Dienstag auf X. Sie bestehen demnach darauf, dass unabhängige palästinensische Technokraten die Regierung des Gazastreifens übergangsweise übernehmen, bis es zu demokratischen Wahlen kommen kann. Außerdem akzeptieren sie internationale Friedenssicherungstruppen – doch nur unter UN- und nicht unter US-Aufsicht, so Scahill. Die Aufgabe des Ziels palästinensischer Selbstbestimmung bleibe demnach parteiübergreifend eine rote Linie. Die Regierung in Tel Aviv besteht jedoch auf der Forderung der Kapitulation und könnte damit bei ausbleibendem Verhandlungserfolg die permanente Kontrolle über die »grüne Zone« zu rechtfertigen versuchen.

Nahezu täglich tötet Israels Armee Menschen in der »roten Zone« – laut Al-Dschasira 342 seit Unterzeichnung des Abkommens. Oftmals, weil sie sich der unklar verlaufenden Grenze zur »grünen Zone« nähern. Am Mittwoch wurden laut WAFA zwei Menschen durch israelische Angriffe getötet. »Wir haben kein Einkommen«, zitierte Al-Dschasira die 32jährige Mutter Raghda Obeid in einem Bericht vom Mittwoch. »Unser Leben gibt es nicht mehr. Wir leben von der Gemeinschaftsküche.« Ein am Vortag veröffentlichter UN-Report liefert Zahlen zum ökonomischen Kollaps in der Enklave. Demnach sind seit Ende 2023 sechs Jahrzehnte Entwicklung wieder zunichte gemacht worden. Laut Daten des Friedensforschungsinstituts in Uppsala ist die ökonomische Krise in Gaza die schwerste, die jemals erfasst wurde.

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