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Aus: Ausgabe vom 26.11.2025, Seite 6 / Ausland
Großbritannien

Terrorlabel auf dem Prüfstand

Großbritannien: Berufungsverfahren gegen Kriminalisierung von »Palestine Action«
Von Dieter Reinisch
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Solidarität mit Palästina dient auch in Großbritannien als Vorwand, um rigoros durchzugreifen (London, 22.11.2025)

In Großbritannien drohen Mitgliedern der antimilitaristischen Gruppe Palestine Action oder jenen, die sie unterstützen, derzeit bis zu 14 Jahre Haft. Das seit dem 5. Juli geltende Verbot und die Einstufung als »terroristische« Gruppe wird seit Dienstag einer zweitägigen gerichtlichen Überprüfung unterzogen. Damit ist erstmals ein Berufungsverfahren gegen ein Verbot einer politischen Organisation in Großbritannien von einem Gericht zugelassen worden. Vor diesem Hintergrund demonstrierten am Sonnabend abermals Hunderte in der britischen Hauptstadt London gegen die Kriminalisierung. Wie schon bei vorherigen Demonstrationen gab es Dutzende Festnahmen, diesmal über 90, wie die Polizei gleichentags mitteilte. Sie erfolgten im Zusammenhang mit dem von »Defend Our Juries« organisierten Protest zur Unterstützung der »verbotenen terroristischen Organisation«, wie es von seiten der Metropolitan Police in einer Erklärung hieß. Die Veranstalter prangerten auf X an, dass die Polizei sofort damit begonnen habe, Demonstranten festzunehmen, die schweigend Schilder hochhielten. Darauf zu lesen: »Ich bin gegen Völkermord, ich unterstütze Palestine Action.«

Mehr als 2.000 palästinasolidarische Demonstranten sind seit dem Verbot der Gruppe durch die sozialdemokratische Labour-Regierung nach dem britischen Antiterrorgesetz festgenommen worden. Sie hatten entsprechende Schilder hochgehalten, T-Shirts mit dem Organisationsnamen getragen oder anderweitig ihre Unterstützung für die Gruppe bekundet. Zu den meisten Festnahmen kam es in London, aber auch in anderen Städten Englands und in Schottland. Seit Montag stehen zudem sechs Aktivisten von »Palestine Action« vor Gericht. Den Angeklagten im Alter zwischen 20 und 31 Jahren werden schwerer Einbruch, Sachbeschädigung und Landfriedensbruch zu Last gelegt. Sie bestreiten die Vorwürfe. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, am 6. August 2024 auf das Gelände des israelischen Rüstungskonzerns Elbit in Bristol eingedrungen zu sein und bei einem »sorgfältig geplanten Angriff« möglichst großen Schaden angerichtet zu haben, berichtete die Financial Times.

Angestrebt hat die gerichtliche Überprüfung der Einstufung von Palestine Action als terroristische Gruppe die Mitbegründerin Huda Ammori. Der Versuch der seit dem 5. September amtierenden Innenministerin Shabana Mahmood, das Verfahren zu stoppen, scheiterte vor einem Monat. Das Berufungsgericht schloss sich Mitte Oktober der Einschätzung an, dass es Anhaltspunkte dafür gebe, dass die Verbotsverfügung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Protest darstellt. Ammori bezeichnete dies als »bahnbrechenden Sieg«, »nicht nur gegen einen der extremsten Angriffe auf die bürgerlichen Freiheiten in der jüngeren britischen Geschichte, sondern auch auf das Grundprinzip, dass Regierungsminister zur Rechenschaft gezogen werden können und müssen, wenn sie rechtswidrig handeln.«

Gegen das Verbot und die damit einhergehende hohe Zahl an Verhaftungen regt sich mittlerweile selbst im Innenministerium Widerstand. So berichtete der Guardian am Montag, dass das staatliche »Terrorismuspräventionsprogramm« droht, überfordert zu werden. Zudem könne die Regelung zu »ungerechtfertigter Kriminalisierung« führen, zitierte das Blatt einen Mitarbeiter der Abteilung für innere Sicherheit im Home Office. Der Beamte erklärte demnach, dass die Verbotsmaßnahme gegen die Aktionsgruppe bereits zu Verwirrung bei der Antiterrorpolizei, den Behörden, den Schulen und den Krankenhäusern geführt habe. Denn unzählige Personen, die »kein Sicherheitsrisiko darstellen«, aber Solidarität mit Palestine Action zeigen, würden von den Behörden als Straftäter gemeldet.

Vorgeblicher Anlass für das Vorgehen der damaligen Innen- und jetzigen Außenministerin Yvette Cooper war eine direkte Aktion von Palestine Action mit Farbe gegen ein Flugzeug der Royal Air Force im Juni. Laut einer Untersuchung des investigativen Portals Declassified UK war das zwar »der Auslöser, aber nicht der Grund für die Verbotsverfügung«, die bereits Monate zuvor genehmigt worden war.

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