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Aus: Ausgabe vom 20.11.2025, Seite 3 / Kapital & Arbeit
Energieversorgung

Warum ist Holz beim Heizen kein nachhaltiger Rohstoff?

Bei Berlin soll ein neues Holzheizkraftwerk entstehen. Hier auf Holz zu setzen, ist der falsche Weg, findet Matthias Krümmel
Interview: Luca von Ludwig
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In einem solchen Kraftwerk sollen künftig Hunderttausende Tonnen Holz im Jahr für Berlin verfeuert werden

Mehrere Umweltverbände, einschließlich des BUND, veranstalteten am Mittwoch eine gemeinsame Pressekonferenz gegen den Bau eines neuen Heizkraftwerks nahe Berlin. Um was für eine Anlage geht es da?

Da soll neben dem größten Wärmespeicher, den wir für Berlin bekommen, eine sogenannte Biomasse-KWK-Anlage (Kraft-Wärme-Kopplung, also die gemeinsame Erzeugung von Strom und Heizenergie, jW) gebaut werden. Allgemeinverständlich heißt das, dass es um eine Holzverbrennungsanlage gehen wird. Unsere Kritik gilt dabei allen Facetten, von den dort verbrannten Altholzklassen bis zur schieren Menge und den bisher völlig unzureichend beachteten Emissionen.

Warum ist Holz beim Heizen kein nachhaltiger Rohstoff?

Es sind unglaubliche Massen, die verbrannt werden. Wir sprechen da von einer Größenordnung von 130.000 bis 250.000 Tonnen Holz, die jährlich benötigt werden. Das wäre, als ob wir alle fünf Wochen den gesamten Berliner Tiergarten abholzen, um ihn dann zu verfeuern. Außerdem gibt es klimaschädliche Emissionen. Holzverbrennung ist, genau wie das Verfeuern von Müll, alles andere als klimaneutral. Teils wird sogar mehr CO2 ausgestoßen als bei der Kohleverbrennung, weil Holz den Kohlenstoff eben sehr gut bindet. Wir schätzen, dass dadurch ein Plus von einer Viertelmillion Tonnen CO2 im Jahr freigesetzt wird. Wir würden Holz lieber als Rohstoff im Bausektor sehen, wo es eben auch wiederverwendet werden kann. Das wäre deutlich besser, als Baustoffe, die auf Basis von Zement oder Polystyrol hergestellt werden, die enorme Klima- und Umweltkosten haben. Wir wollen Holz als Produkt verwendet sehen, in dem CO2 so lange wie möglich gespeichert bleibt. Das ist vernünftig, und es ist auch intelligent zu machen.

Wie wirkt sich die Holzverbrennung auf die Ökosysteme aus?

Im großen wird durch die Entnahme ein irrer Druck auf die Waldsysteme ausgeübt. Wir sehen das jetzt schon an der Verschärfung der Klimakrise. Die Wälder nehmen weniger CO2 auf als früher oder stoßen es sogar ab. Was früher eine Kohlenstoffsenke war, ist jetzt eine Quelle. Da können wir den Restbestand nicht auch noch anzünden. Wir müssen alles dafür tun, die natürlichen Kohlenstoffsenken wieder fit zu machen.

Wo soll das viele Holz denn herkommen, das man für das Heizkraftwerk brauchen würde?

Traut man der Nachhaltigkeitsverordnung des Landes Berlin – das tun wir im übrigen nicht –, dann dürfte es eigentlich nur aus einem relativ geringfügigen Radius von 200 Kilometern um das Kraftwerk entnommen werden. An den eben genannten Zahlen sieht man aber ja schon, dass das komplett unrealistisch ist. Weiterhin haben wir in Europa einen riesigen Altholzmarkt, der vor allem durch die Pelletproduktion dominiert ist. Der ist aber europäisch oder international organisiert, sogar aus Übersee werden Altholzreste herangekarrt. Wir haben auf jeden Fall keine Kapazitäten, um diese Altholzmengen in Berlin überhaupt aufzubringen. Da wird viel Augenwischerei betrieben. Man sollte das Holz wie gesagt viel eher in der Nutzung halten. Insbesondere das noch wenig von Schadstoffen belastete Holz. Während Italien eine Recyclingquote von über 80 Prozent hat, haben wir eine von 15 Prozent. Wenn wir hier besser werden wollen, steht das Holz für die Verfeuerung erst recht nicht zur Verfügung.

Welche Auswirkungen hat ein solches Kraftwerk auf die direkte Umwelt?

Feinstaub, Ruß, aber auch Dioxine und andere krebserregende Stoffe können bei der Holzverbrennung freigesetzt werden. Man kann da mit der richtigen Anlagentechnik und dem Verfeuerungsverfahren, zum Beispiel durch die Brenntemperatur, relativ viel machen. Und es wird natürlich sehr argwöhnisch betrachtet werden, dass entsprechende Filter- und Reinigungssysteme nach den höchsten technologischen Standards eingesetzt werden. Wir haben den Eindruck, dass diesen Holzverfeuerungsplänen eigentlich eine komplett fehlgeleitete Wärmeplanung zugrunde liegt. Es wird viel auf Fernwärmeversorgung gesetzt und dann gar nicht mehr geschaut, was da überhaupt verbrannt wird. Klimaneutralität bis 2045 ist mit der Verfeuerung von Holz und Müll jedenfalls nicht zu schaffen.

Matthias Krümmel ist Referent für Klimaschutzpolitik beim Naturschutzverein BUND Berlin

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