Der Iran verdurstet
Von Eike Seidel
Die Wasserkrise im Iran spitzt sich weiter zu und hat das Potential, das Regime in seinen Grundfesten zu erschüttern. Seit dem 23. September 2025 hat es in 15 der 31 Provinzen keinen Tropfen Regen gegeben. Im zweiten Quartal war der Niederschlag auf etwa 40 Prozent des langjährigen Mittelwerts gesunken. Im sechsten Dürrejahr in Folge ist in einem großen Teil der für die Trinkwasserversorgung genutzten Stauseen der Wasserspiegel unter die Entnahmegrenze abgesunken.
Schon im August wurden in Teheran die 20.000 öffentlichen Toiletten geschlossen. In mehreren Stadtteilen Teherans – und mindestens 50 anderen Städten – wurde das Wasser für bis zu 48 Stunden abgestellt. Hinzu kommen stundenlange Stromausfälle, die bei Temperaturen zwischen 40 und 50 Grad Celsius auch die Nutzung von Klimaanlagen unmöglich machen.
Am 13. November ließ Präsident Massud Peseschkian verlauten, dass weitere Rationierungen vorgenommen werden müssen, sollte es bis Ende November weiterhin keinen Niederschlag geben. Dann müsste Teheran evakuiert und an verschiedenen anderen Orten dezentralisiert wieder aufgebaut werden. Wie dies angesichts von etwa acht Millionen Einwohnern der Stadt und von 20 Millionen in der Metropolregion umgesetzt werden kann, ist völlig unklar. Dabei wird diese Vision schon seit 40 Jahren immer wieder diskutiert.
Problem ist lange bekannt
Der Iran ist weitgehend ein Wüstengebiet. Seit 1978 hat die Bevölkerungszahl von 38 Millionen auf etwa 90 Millionen zugenommen. Wie überall auf der Welt hat sich der Anteil der städtischen Bevölkerung immer weiter vergrößert. Hinzu kommt, unter dem aktuellen Regime ist seit 1978 eine Politik der Ernährungsautonomie verfolgt worden. Dazu wurde eine industrielle Landwirtschaft aufgebaut, die wegen des Wasserverbrauchs wie in allen niederschlagsarmen Ländern verheerende Auswirkungen hat. Selbst Reis, ein Getreide mit extremem Wasserbedarf, wurde im Iran angebaut. Insgesamt werden knapp 90 Prozent des genutzten Wassers im Iran von der Landwirtschaft verbraucht. Ein sehr großer Teil des genutzten Wassers wird aus Aquiferen emporgepumpt. Es wird geschätzt, dass für die Landwirtschaft bis zu einer Million illegale Brunnen gebohrt worden sind.
Das symbolträchtigste Beispiel für den Wassermangel ist der nahezu ausgetrocknete Urmiah-See, der ehemals zweitgrößte abflusslose Binnensee Asiens. Im Jahr 2011 kam es in den Gebieten um den See bei Täbris und Urmia zu großen Demonstrationen. Die damals beschlossenen Maßnahmen, den See wieder durch Öffnung einiger Stauseen und Schließung von Brunnen in der Region aufzufüllen, wurden kaum umgesetzt. Nach einigen Regenjahren mit etwas Hoffnung ist im Sommer 2025 der See komplett ausgetrocknet.
Traditionelle Bewässerung
Der Iran war jahrhundertelang geradezu ein Musterland, wie unter diesen Bedingungen eine nachhaltige Landwirtschaft betrieben werden kann: Das auch in anderen Ländern unter anderen Namen bekannte Qanat-System sammelt das Fließwasser in unterirdischen Rohren und führt dieses in einer Art Tröpfchenbewässerung den Pflanzen zu. Solche Systeme werden weltweit heute wieder auf ihre Nutzbarkeit untersucht. Die aktuell betriebene industrielle Landwirtschaft verbraucht in allen Ländern des Trockengürtels das kostbare Wasser – sowohl das an der Oberfläche als auch das in Jahrhunderten unter der Erde eingelagerte Grundwasser. Die Folgen sind bekannt: Absinken des Grundwasserspiegels, Absinken des Bodens durch Zusammenbruch der ausgetrockneten Bestandteile des Untergrunds, Wasserverlust durch Verdunstung und Versalzung der Böden.
Einige wenige Projekte westlicher Staaten, mit dem Iran in Fragen des Wassermanagements zusammenzuarbeiten (so von 2010 bis 2018 das Projekt »IWRM Zayandeh Rud«), wurden nach Aufkündigung des Atomvertrags durch die USA nicht fortgeführt. Schon damals wurde Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sehr deutlich: Israelisches Know-how zur Bewältigung des Wasserproblems würde es ohne Regime-Change niemals geben.
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