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Aus: Ausgabe vom 13.11.2025, Seite 2 / Ansichten

Vom schlechten Ruf des Soldaten

Von Nick Brauns
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Anbrüllen fürs Vaterland: Feierliches Gelöbnis am 70. Jahrestag der Bundeswehr-Gründung in Berlin

Weil Uncle Sam Kanonenfutter für den Rollback des Kommunismus brauchte und Kanzler Adenauer nach voller staatlicher Souveränität strebte, bekam der deutsche Imperialismus knapp zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs am 12. November 1955 wieder eine Armee.

Heute »darbt die Bundeswehr so klein und schwach wie nie seit ihren Gründungstagen«, jammert die FAZ zum 70. Bundeswehr-Geburtstag. »Deutschland und seine Nachbarn sind nicht in der Lage, ihre Lufträume vor Übergriffen zu schützen, die bald Angriffe werden könnten.« »Dass es so kommen mag, sagen in Politik und Militär eigentlich alle«, behauptet die FAZ. Mittel für Aufrüstung sprudelten zwar, doch Früchte trage das kaum, »eher entstehen riesige Sumpfgebiete, getränkt mit Geld«, beklagt die FAZ, dass es »Regierung und Parlament nicht zu eilig haben, in einem Wettlauf gegen die Zeit, den sie selbst ausrufen, die Bundeswehr schnell zu ertüchtigen«. Vielleicht glauben doch nicht »alle«, dass der Russe 2029 durchs Brandenburger Tor marschieren wird, sondern sehen die Zeitenwendenmilliarden eher als willkommene Gelddruckmaschine?

In der Welt sieht Unionsfraktionschef Jens Spahn »unsere westlichen Werte … in ihren Grundfesten bedroht« von »fremden Mächten bis hin zum islamistischen Terror«. Viele »unserer« Soldaten hätten diesen »Freiheitskampf« mit Gesundheit oder Leben bezahlt, lautet die Spahnsche Variante unserer angeblich am Hindukusch verteidigten Freiheit.

Die meisten Bundeswehr-Soldaten seien das, »was man früher ›einen feinen Kerl‹ genannt hat«, bricht die NZZ eine Lanze für die Landser. Für deren »miese Reputation« seien Journalisten verantwortlich, unter denen die Bundeswehr »seit langem keinen guten Ruf« habe, sieht das rechts stehende Schweizer Blatt die eigene Zunft in der Verantwortung. »Kaum eine Woche ohne Negativmeldung über Einsatzbereitschaft, Ausrüstung oder Zukunftsfähigkeit.» Oft werde die »gesamte Armee als Gurkentruppe dargestellt«. Dem ließe sich entgegnen, dass die oft linksliberalen Sofageneräle in den Redaktionsstuben mit solcher Kritik an der Truppe ja gerade deren Kriegstüchtigkeit zu befördern hoffen.

Doch geht es der NZZ um etwas anderes. Das Blatt beklagt eine »verzerrte Wahrnehmung der Soldaten bei denjenigen, die sich noch nie gefragt haben, was sie im Kriegsfall für ihr Land oder ihre Mitbürger täten«. Verwiesen wird auf Frauen, die in Datingportalen »Bitte keine Polizisten oder Soldaten!« angeben. Die antimilitaristisch orientierte junge Welt, bei der die Bundeswehr auch »keinen guten Ruf« genießt, schließt sich dem an: kein Sex mit Olivgrünen! (nb)

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