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Aus: Ausgabe vom 12.11.2025, Seite 5 / Inland
Urheberrechte

Niederlage für Open AI

Chat-GPT-Betreiber unterliegt der GEMA vor dem Landgericht München
Von Sebastian Edinger
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Anders als beim Verkauf von Platten gingen Künstler bei der Verwertung ihrer Musik durch Chat-GPT bisher leer aus

Bereits bei der mündlichen Verhandlung Ende September hatte sich angedeutet, dass der Techkonzern Open AI im Urheberrechtsstreit um die Verwendung und Vervielfältigung bekannter deutscher Liedtexte schlechte Karten hat. Das am Dienstag vor dem Landgericht München I verkündete Urteil ist für die KI-Firma eine herbe Niederlage – und ein Sieg für Urheber und Rechteinhaber, der weitreichende Folgen haben könnte.

Geklagt hatte die Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA), die nach eigenen Angaben die Nutzungsrechte aus dem Urheberrecht von rund 100.000 Komponisten, Textdichtern und Musikverlagen vertritt. Die Verwertungsgesellschaft hatte dem Chat-GPT-Betreiber vorgeworfen, deutsche Liedtexte unter Verletzung des Urheberrechts zum Training von KI-Modellen zu nutzen. Die vollständige Ausgabe der Texte durch Chatbots stelle eine unzulässige Vervielfältigung dar. Konkret ging es in dem Verfahren um neun Liedtexte, darunter »Männer« von Herbert Grönemeyer, »Über den Wolken« von Reinhard Mey und »In der Weihnachtsbäckerei« von Rolf Zuckowski.

Die zuständige Richterin bestätigte nun das Argument der GEMA, nachdem die Ausgabe vollständiger Liedtexte beweise, dass diese für das KI-Training »memorisiert« – also gespeichert worden seien. Die Vertreter von Open AI hatten hingegen argumentiert, die beiden fraglichen KI-Modelle speicherten oder kopierten nicht spezifische Trainingsdaten, sondern reflektierten in ihren Parametern, was sie basierend auf dem gesamten Trainingsdatensatz erlernt hätten. Das System generiere die Ausgaben ausschließlich im Wege einer »sequenziell-analytisch, iterativ-probabilistischen Synthese«, sprich: Wenn vollständige Liedtexte ausgegeben werden, geschehe dies eher zufällig.

Mit dieser Argumentation konnte der US-Konzern jedoch vor Gericht nicht überzeugen. Eine zufällige Ausgabe der vollständigen Texte sei ausgeschlossen, die Texte seien memorisiert worden und die Ausgabe durch den Chatbot stelle eine urheberrechtsverletzende Vervielfältigung dar, stellte das Gericht in seinem Urteil fest. Auch dem Argument der Open-AI-Vertreter, die Nutzung vollständiger Liedtexte für das Training von KI-Modellen sei durch EU-Regeln zum sogenannten Data Mining gedeckt, folgten die Richter nicht. Derartige Ausnahmebestimmungen für KI-Trainings würden nur greifen, wenn ausschließlich Informationen extrahiert werden, nicht aber, wenn vollständige Texte ausgegeben und somit vervielfältigt werden, hieß es in einer Mitteilung.

Open AI wurde deshalb unter anderem dazu verpflichtet, die Speicherung und Ausgabe der Liedtexte zu unterlassen, Schadenersatz zu zahlen und Transparenz über die Nutzung von urheberrechtlich geschützten Texten sowie die damit erzielten Erträge herzustellen. Rechtskräftig ist das Urteil jedoch noch nicht. Wie heise online berichtete, erwägt Open AI nach eigener Angabe weitere Schritte. Demnach betonte der Konzern, die Entscheidung betreffe »nur eine begrenzte Anzahl von Liedtexten und hat keine Auswirkungen auf die Millionen von Menschen, Unternehmen und Entwicklern in Deutschland, die unsere Technologie täglich nutzen«.

Sollte das endgültige Urteil jenes der ersten Instanz bestätigen, könnte dies weitreichende Folgen über die neun fraglichen Texte hinaus haben. So sieht die Expertin für Immaterialgüter- und Wettbewerbsrecht, Silke von Lewinski, laut dpa eine »grundlegende Bedeutung für alle Werke, sei es Literatur, journalistische Texte, Musik, bildende Kunst, Fotografie oder jegliche andere Werke«. Ein letztinstanzlicher Erfolg der GEMA würde die Machtverhältnisse zwischen Kreativwirtschaft und Techkonzernen zugunsten der Urheber und anderer Rechteinhaber verschieben, so die Wissenschaftlerin vom Max-Planck-Institut für Innovation und Wettbewerb weiter. »Bevor ein Text für generative KI genutzt werden kann, müssten die Rechteinhaber dann ihre Zustimmung geben und hätten die Möglichkeit, dafür eine Vergütung zu erhalten.«

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