Aus Leserbriefen an die Redaktion
Das Prinzip Verquallung
Zu jW vom 3.11.: »Vorschlag«
Quallen bestehen zu über neunzig Prozent aus Wasser, haben kein Herz und kein Hirn. Diesen evolutionären Vorteil nutzen sie genial und setzen sich womöglich bald an die Spitze der Nahrungskette, genannt Verquallung. Die derzeitige Spitze der Nahrungskette besteht nur zu siebzig Prozent aus Wasser und zu dreißig Prozent aus Hoffnung.
Heinrich Hopfmüller, Stadum
Drüben war auch nicht besser I
Zu jW vom 4.11.: »Nicht nur Rowdytum«
»Bitte nennt nicht meinen Namen, bitte sagt nicht meine Adresse, sonst bekomme ich Ärger in der Schule, in der Lehre oder auf Arbeit.« So moderierte Uschi Nerke in einer »Beat-Club«-Sendung von Radio Bremen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre einen neuen Hit an. In einer vom »Beat-Club« organisierten Straßenumfrage fielen Sätze wie: »Adolf hätte schon gewusst, wie man mit diesen ungewaschenen renitenten aufmüpfigen langhaarigen Affen umgeht.« Originalzitate aus Briefen an den »Beat-Club«: »Was diese langhaarigen Flegel sich (…) im ›Beat-Club‹ leisten, ist der Gipfel der Geschmacklosigkeit. Entweder besteht die Leitung ihres Senders aus Kommunisten oder Gesinnungslumpen.« Ein anderer schrieb, der »Beat-Club« gleiche eher dem sinnlich-dummen Treiben eines sehr mäßigen Nachtlokals als einer profilierten Jugendsendung. Wortwörtlich schrieb ein Dritter: »Die widerlich schamlose Minitänzerin (…) war wohl in ihrer widerlichen Obszönität unübertrefflich. (…) Die vorgestellte Band mit ihrer Mischung von Urwald und Maschine konnte nur die niedersten Instinkte ansprechen.« (alle Zitate aus »The story of Beat-Club, Volume 1, Radio Bremen«). Das war das reale Leben noch nach 1966 in der ach so freiheitlich-demokratischen BRD. In den ländlichen Regionen – und hier vor allem in Süddeutschland – herrschte wirklich noch »die gute alte Zeit«. Möglichkeiten zur aktiven Gestaltung der Freizeit gab es äußerst wenige, und wenn überhaupt, dann meist nur im Rahmen und unter der Aufsicht der Kirche. Wir hörten in dieser Zeit – Mitte und Ende der Sixties – auch den von der DDR ausgestrahlten und wirklich pfiffigen, bissig satirischen, gut moderierten rockigen Deutschen Freiheitssender 904 für die Soldaten der Bundeswehr und Infos aus dem Innenleben der Kasernen mit den aktuellsten britischen und amerikanischen Hits, die es auf den ARD-Radiostationen kaum gab, DT 64, »Hallo – das Jugendjournal« von Stimme der DDR (ehem. Deutschlandsender) sowie auch die täglichen Beatsendungen von Danmarks Radio Kopenhagen.
Norbert Schönfeld, Lübeck
Drüben war auch nicht besser II
Zu jW vom 4.11.: »Nicht nur Rowdytum«
(…) In den 80er Jahren wurden dann in der DDR Punks und z. T. auch Gruftis bzw. Heavy-Metal-Fans als Nachfolger der Beatniks gegängelt – aber ebenso in der BRD, wo diese des öfteren mit Gummiknüppeln usw. traktiert wurden. Auch die Rufe nach dem »Führer« und seiner »sauberen Zeit« waren in Westdeutschland oft zu hören – im Fernsehen! Nachzulesen und nachzuschauen sind diese Tatsachen aus der Alt-BRD heute aber selten bzw. nie im Staats-TV, dafür aber in Punkfanzines und auf den einschlägigen Videokanälen. Ansonsten gilt: Unterdrückung von Jugendsubkulturen gab es nur in der DDR.
Marian Rose, per E-Mail
Es gibt ihn doch
Zu jW vom 30.10.: »Kein unschuldiger Begriff«
Die gesellschaftlichen Verhältnisse in den realsozialistischen Ländern, auch in der DDR, sind – trotz Defiziten und Mängeln – fortschrittlich gewesen. Arbeitslosigkeit, Obdachlosigkeit, Armut und Perspektivlosigkeit sind für uns DDR-Bürgerinnen und -Bürger bis zur Annexion der DDR durch die BRD fremde Begriffe gewesen. In der DDR hatte jede/r eine gesicherte Existenz. Niemand musste um seinen Arbeitsplatz bangen, niemand musste fürchten, seine Wohnung zu verlieren. Schon mit diesem sozialen Fortschritt sind wir den kapitalistischen Gesellschaften, auch der BRD, um einiges voraus gewesen. Nach der sogenannten Wende 1989/90 sind all diese sozialen Errungenschaften wieder rückgängig gemacht worden, was wir als Rückschritt statt als Fortschritt bezeichnen müssen.
Joachim Becker, Eilenburg
»Jedes Interview taugt«
Zu jW vom 5.11.: »Wie kann man sich der Aufrüstung widersetzen?«
Leyla Demir – cool, voller Kraft und beispielhaft! Im Februar 1990 gab es in der EOS »Carl von Ossietzky« (heute: Carl-von-Ossietzky-Gymnasium) das Gründungstreffen der MJV Junge Linke mit Hunderten, die aus allen Bezirken der DDR angereist waren (jW berichtete, aber nur verhalten), und aus der marxistischen Alternative zur FDJ binnen weniger Wochen einen Zusammenhalt Zehntausender machten. Holger und ich schrieben Programm, Statut und Leitlinien. Wir nahmen an der Wahl im März teil. Dann waren wir pleite – mit der Arabeske, dass die PdL diesen unsinnigen Namen übernahm (u. a. waren Stefan Liebig und Klaus Lederer zwei Anwesende bei der Gründung). Was lehrt uns das: Immer Formulare mitschicken! Jedes Interview taugt! (Hatten wir damals vollkommen …)
Torsten Andreas Scharmann, Berlin
Cui bono?
Zu jW vom 5.11.: »Fördermittelmaschine des Tages: CDU Berlin«
Auch der Deutschlandfunk Kultur berichtete gestern in der Sendung »Fazit«. Fast sechs Minuten lang. Und immer wartete ich darauf, an wen denn die Gelder eigentlich flossen. Kein Wort davon. Es wurden zwar die politisch Verantwortlichen genannt (der ehemalige und die jetzige Kultursenator/in), nicht aber – wie gesagt – die Empfänger. Erst im jW-Artikel lese ich diese Zusammenhänge. Dafür ein Dankeschön!
Fritz Patzelt, Walsrode
Quallen bestehen zu über neunzig Prozent aus Wasser, haben kein Herz und kein Hirn. Diesen evolutionären Vorteil nutzen sie genial und setzen sich womöglich bald an die Spitze der Nahrungskette.
Tageszeitung junge Welt am Kiosk
Die besondere Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.