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Aus: Ausgabe vom 10.11.2025, Seite 1 / Titel
Westbank

Welle der Siedlergewalt

Neuer Höchststand israelischer Attacken auf Palästinenser im Westjordanland
Von Jakob Reimann
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Rettungskräfte bemühen sich um die Reuters-Journalistin Raneen Swafta nach dem Angriff israelischer Siedler

Faschistische Siedler und israelische Streitkräfte überziehen das Westjordanland mit einer nicht abreißenden Welle der Gewalt: Ein Mob von etwa 50 Siedlern stürmte am Sonntag morgen die Gemeinde Al-Maazi nordöstlich von Jerusalem, warf Steine auf die Palästinenser und legte Brände. Sieben Menschen wurden verletzt. Israelische Besatzungstruppen überfielen eine Nachbarschaft in Silwan im besetzten Jerusalem und vertrieben drei palästinensische Familien mit Gewalt aus ihren Häusern, berichtet WAFA. Am Tag zuvor hatten rund 50 maskierte Siedler südlich von Nablus eine Gruppe von Palästinensern, Aktivisten und Journalisten angegriffen, die sich dort zur Olivenernte trafen. Videoaufnahmen der Angriffe zeigen, wie die Faschisten mit langen Knüppeln auf Personen einschlagen. Unter den Verletzten war laut AFP auch die Reuters-Fotografin Raneen Sawafta. Der israelische Menschenrechtsaktivist Jonathan Pollock bezeugte, dass Siedler Steine auf die am Boden liegende Reporterin schleuderten, sie schlugen und mit Stöcken verprügelten. Auch das Dorf Umm Al-Khair in Masafer Yatta südlich von Hebron wurde am Sonntag morgen unter dem Schutz des Militärs von Siedlern überfallen, meldete WAFA. Ende Oktober hatte die israelische Zivilverwaltung den Abriss von über einem Dutzend Häusern in dem Dorf angeordnet.

Als Teil eines »anhaltenden Zyklus des Terrors« haben israelische Streitkräfte und Siedler allein im Oktober 2.350 Angriffe im besetzten Westjordanland verübt, so laut Al-Dschasira die Kommission für Kolonialisierung und Widerstand gegen Mauerbau (CWRC) der Palästinensischen Nationalbehörde – im Schnitt also über 70 jeden Tag. Rund ein Drittel davon ging demnach auf das Konto extrem rechter Siedler, denen neben der Zerstörung von Olivenbäumen vor allem »Vandalismus und Diebstahl« vorgeworfen wird. Sie arbeiten mit israelischen Soldaten zusammen und werden bei ihren Verbrechen oft von diesen beschützt. Auch die UNO meldete einen Höchststand an monatlichen Siedlerattacken auf Palästinenser, die laut dem UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) auf dem höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen 2006 liegen, heißt es bei Reuters. OCHA berichtet außerdem, dass in diesem Jahr 42 palästinensische Kinder im Westjordanland von israelischen Einsatzkräften getötet worden seien. Das ist ein Fünftel aller dort getöteten Palästinenser. Erst in der Nacht zum Freitag haben israelische Soldaten nördlich von Jerusalem zwei 16jährige erschossen, berichtet AFP. Seit dem 7. Oktober 2023 haben Israelis mindestens 1.001 Palästinenser im Westjordanland getötet.

Neben physischen Angriffen auf palästinensische Gemeinden beschleunigt die extrem rechte Netanjahu-Regierung auch die Ausweitung des illegalen Siedlungsbaus mit nie dagewesenem Tempo. Seit Beginn des Jahres hat der für Genehmigungen zuständige Höhere Planungsrat (HPC) laut der israelischen Friedensorganisation »Peace Now« den Bau von insgesamt 28.195 neuen Wohneinheiten vorangetrieben – ein Rekordwert. Die Ausschreibungen für neue Wohneinheiten im besetzten Land befinden sich »auf einem Allzeithoch« und liegen »etwa 50 Prozent über dem bisherigen Spitzenjahr 2018«, so »Peace Now«. Werden alle Ausschreibungen umgesetzt, »würden diese Wohnungen etwa 25.000 Siedler zusätzlich in das Westjordanland bringen«. Die palästinensische CWRC verurteilt den massiven Siedlungsbau als Teil einer »organisierten Strategie, die darauf zielt, die indigene Bevölkerung des Landes zu vertreiben und ein vollständig rassistisches Kolonialregime durchzusetzen«.

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