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Aus: Ausgabe vom 07.11.2025, Seite 15 / Feminismus

Lettland ringt um Istanbul-Konvention

Riga. In Lettland hat Präsident Edgars Rinkēvičs (Foto) den Austritt seines Landes aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen vorerst verhindert. Das Präsidialamt in Riga erklärte am Montag, das vom Parlament verabschiedete Gesetz sende eine »widersprüchliche Nachricht an die lettische Gesellschaft sowie internationale Verbündete«. Rinkēvičs schickte das Gesetz zur nochmaligen Prüfung an das Parlament zurück. Hätte er zugestimmt, wäre Lettland als erster EU-Mitgliedstaat aus der Istanbul-Konvention ausgetreten.

Dies ist nun aber noch nicht vom Tisch: Das Parlament muss den Gesetzentwurf nun an einen Ausschuss übergeben, der sich mit den Einwänden des Präsidenten beschäftigt und ein Datum für eine weitere Parlamentsdebatte festlegt, bei der es ausschließlich um die von Rinkēvičs vorgebrachten Punkte gehen soll. Verabschiedet das Parlament das Gesetz allerdings erneut ohne Änderungen, hat der Präsident keine weiteren Einspruchsmöglichkeiten.

Das lettische Parlament hatte am vergangenen Donnerstag für den Austritt aus der Istanbul-Konvention gestimmt. Darin verpflichten sich die Mitgliedstaaten zu Maßnahmen, die einen besseren Schutz für Frauen und Mädchen gegen Gewalt, etwa durch die strafrechtliche Verfolgung von Tätern, ermöglichen sollen.

Kritiker in Lettland argumentierten, die Konvention fördere »Gender«-Theorien. Der Austritt werde den Kampf gegen Gewalt gegen Frauen nicht schwächen, da die nationalen Gesetze ausreichend seien. Die Austrittsentscheidung des Parlaments hatte Proteste in Lettland ausgelöst. Mehr als 60.000 Menschen unterzeichneten einen Appell an den Präsidenten, in dem sie ihn dazu aufriefen, dem Austritt nicht zuzustimmen.

Die Istanbul-Konvention ist seit 2011 ein völkerrechtlich bindendes Übereinkommen des Europarats mit Sitz in Strasbourg, dem 46 Staaten angehören. Das lettische Parlament hatte die Konvention im November 2024 ratifiziert, in Deutschland ist sie formell Anfang 2018 in Kraft getreten. Bereiche, in denen die Bundesregierung nach wie vor keine Maßnahmen umgesetzt hat, betreffen laut UN Women unter anderem den Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe für von Gewalt betroffene Frauen, den flächendeckenden und bedarfsgerechten Ausbau des Hilfesystems für alle Betroffenen sowie flächendeckende Angebote für Fortbildungen und Trainings für alle Berufsgruppen, die in Kontakt mit Opfern oder Tätern von Gewalt kommen, etwa Justiz und Polizei. (AFP/jW)

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