Startschuss mit rotem Bummel
Von Barbara Eder
Anders als faschistische Demagogen wie US-Präsident Donald Trump behaupten, entstand »die Antifa« nicht als Organisation, sondern als Form der politischen Praxis. Im Mai 1932 begründete die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) die »Antifaschistische Aktion« – ein Modell, das die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) im selben Jahr zur Bildung einer proletarischen Einheitsfront gegen den Faschismus aufgriff. Die zwei roten Fahnen vor weißem Grund und im schwarzen Kreis standen symbolisch für eine strategische Wende: Anlässlich der Wahlerfolge der NSDAP – bei den Wiener Landtagswahlen im April 1932 erreichte sie 17,4 Prozent – forderte die KPÖ zum Schulterschluss aller klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeiter gegen den Faschismus auf. Zwar war die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Österreichs (SDAP) offiziell nicht beteiligt, doch viele ihrer Anhängerinnen und Anhänger unterstützten die Aktion.
Am 4. September 1932 kamen rund 10.000 Antifaschisten in die Wiener Engelmann-Arena, um den geplanten Auftritt Adolf Hitlers in Wien im Vorfeld zu verhindern. Dessen Einreiseverbot war kurz zuvor mit dem Segen der austrofaschistischen Dollfuß-Regierung aufgehoben worden. Die KPÖ reagierte darauf mit einer Großkundgebung auf dem als Eissportplatz bekannten Areal im 17. Wiener Gemeindebezirk. Dazu aufgerufen wurde über die Parteizeitung Die Rote Fahne, Flugzettel, Hauskomitees und Mundpropaganda. Vom damaligen Bebelplatz im Arbeiterstadtteil Ottakring, vom Meidlinger Markt und vom Lorenz-Bayer-Platz in Hernals zogen die Teilnehmenden trotz behördlicher Verbote in Richtung Arena. Die sozialdemokratische Arbeiter-Zeitung hatte die Versammlung in ihrer Berichterstattung mit keinem Wort erwähnt.
Die Tribüne des Eissportplatzes war geschmückt mit dem Antifaemblem. Auf Spruchbändern stand: »Antifaschistische Aktion gegen den neuen Sanierungsraubzug, Naziterror, imperialistischen Krieg, für Arbeit, Brot und Freiheit«. Die Österreichische Arbeiterwehr, 1928 als Nachfolgerin des verbotenen Roten Frontkämpferbundes gegründete Formation der KPÖ, war vor Ort und die Parteiführung präsentierte sich geschlossen. Die Kundgebung der 10.000 Antifaschisten sollte ihr Ziel erreichen: Adolf Hitlers Wien-Besuch fand nicht statt. Die österreichische Regierung von Engelbert Dollfuß stand blamiert da. Auch die NSDAP musste den Gesichtsverlust hinnehmen und der groß angekündigte »Hitlertag« auf der Jesuitenwiese abgesagt werden.
Auf dem Flugblatt mit der Überschrift »Alarm! Arbeiter, Arbeiterinnen! Arbeitslose!«, gezeichnet von der Antifaschistischen Aktion, wurde die Kundgebung der 10.000 Antifaschisten in der Engelmann-Arena als »erste Tat der Antifaschistischen Aktion« im Kampf »gegen die braune Mordpest und faschistische Reaktion, gegen Polizeiterror und Klassenjustiz« gefeiert. Doch der Rückzug der Nazis war nicht dauerhaft. Für den 18. September hatte die Wiener NSDAP eine Ersatzveranstaltung mit Hitlers Chefpropagandist Joseph Goebbels angesetzt. Geplant war am selben Tag ein »Stafettenlauf« quer durch den Arbeiterbezirk Hernals, flankiert von Aufmärschen der SA, SS, Hitlerjugend und des Turnerbunds.
Da eine offizielle Demonstrationsgenehmigung unter politisch repressiven Bedingungen nicht zu erwarten war, kündigten die Kommunisten einen »roten Bummel« gegen Naziaufmarsch und Stafettenlauf an. Das Flugblatt »Heraus zum roten Bummel!« vom 16. September rief zur Störung mittels eines »Spaziergangs« auf. 10.000 Exemplare wurden gedruckt, zehn davon beschlagnahmt. Der »rote Bummel« sollte entlang der geplanten Route des Stafettenlaufs führen – von der Wattgasse durch die Hernalser Hauptstraße bis zur Engelmann-Arena. Während des Bummels am 18. September schlug die Sicherheitswache mit Gummiknüppeln zu, 16 Personen wurden festgenommen.
Die Kommunistische Partei hatte den Auftritt Hitlers verhindert – durch Mobilisierung, Organisation und praktische Einheitsfrontpolitik. Beim späteren »Gauparteitag« der NSDAP vom 29. September bis 2. Oktober 1932 konnten Hermann Göring, Julius Streicher und Hans Frank auftreten. Dagegen organisierte die KPÖ eine »Antifaschistische Woche«. Sozialdemokraten standen neben Kommunisten, Parteilose neben Parteiarbeitern. Der 4. September 1932 markiert rückblickend den Auftakt der antifaschistischen Bewegung in Österreich.
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