Gegründet 1947 Dienstag, 4. November 2025, Nr. 256
Die junge Welt wird von 3054 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 03.11.2025, Seite 1 / Ansichten
US-Außenpolitik

In der Rächerrolle

Trump droht Nigeria
Von Jörg Kronauer
US_Praesident_Trump_87720451.jpg
Der Brandstifter als Feuerwehrmann: Donald Trump kehrt von Asien-Tournee zurück (Andrews Air Base, 30.10.2025)

Donald Trump, Rächer der bedrohten Milliardäre und der unterdrückten Weißen, schlägt wieder einmal zu. Diesmal stiftet er keinen Frieden, nein, er rettet verfolgte Christen, und zwar in Nigeria. Wenn die Regierung des Landes es weiterhin erlaube, dass Christen ermordet würden, dann werde er US-Militärs schicken, um mit den Dschihadisten, die in Nigeria wüteten, aufzuräumen, kündigte er an. Das Pentagon solle nun Militärangriffe vorbereiten. Kriegsminister Pete Hegseth ließ sich mit einem gehorsamen »Yes, Sir« zitieren und ging an die Arbeit. Nein, kein Scherz: Trump droht mit einem Angriff auf Nigeria.

Was in aller Welt ist da los? Dass in Nigeria mörderische Gewalt grassiert, ist nicht neu. Vor allem im Norden des Landes wüten Dschihadisten, etwa die von Boko Haram. Daneben ist in der übel verarmten Region, in der die Staatsmacht nur noch wenig Kontrolle hat, Bandengewalt verbreitet. Konflikte zwischen Hirten und Ackerbauern, zwischen Sprachgruppen kommen hinzu. Dass dabei zahlreiche Christen zu Tode kommen, stimmt – wie könnte es anders sein, wenn Dschihadisten morden? Und dennoch: Von einem gezielten Genozid an Christen zu reden, die fast die Hälfte der Bevölkerung stellen, das wird – um es unangemessen höflich zu formulieren – der höchst komplexen Lage in Nigeria nicht gerecht.

Von einem Genozid an Nigerias Christen schwadroniert freilich die christliche Rechte in den USA schon lange. Prominente Politiker, etwa der Rechtsaußensenator Ted Cruz, treiben das Thema inzwischen voran. Trump, nicht gewillt, sich von ihnen in den Schatten stellen zu lassen, setzt sich nun an die Spitze der Bewegung. Wozu? Nigerianisches Erdöl braucht der Fracking-Fürst nicht. Zuletzt gab es Putschgerüchte in Abuja; haben die USA dort eine Karte im Spiel? Bekannt ist bislang nichts. Wie auch immer: Wenn andere über Genozide an Muslimen in Gaza und im Sudan klagen, kann es nicht schaden, ihnen vorgebliche Genozide an Christen entgegenzuhalten. Die sind schließlich Glaubensgenossen des selbsterklärten Herren der Welt, der mit seinem Einsatz endlich in die Rolle eines Rächers der Christen schlüpfen und die tatsächlichen Genozide zumindest relativieren kann.

Tageszeitung junge Welt am Kiosk

Die besonderen Berichterstattung der Tageszeitung junge Welt ist immer wieder interessant und von hohem Nutzwert für ihre Leserinnen und Leser. Eine gesicherte Verbreitung wollen wir so gut es geht gewährleisten: Digital, aber auch gedruckt. Deswegen liegt in vielen tausend Einzelhandelsgeschäften die Zeitung aus. Überzeugen Sie sich einmal von der Qualität der Printausgabe. 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim S. aus Berlin (3. November 2025 um 05:32 Uhr)
    Man sagt, Ertrinkende schlagen mit schier unmenschlichen Kräften um sich. Das erklärt den Wahnsinn US-amerikanischer Politik, den wir gegenwärtig erleben, ziemlich genau. Sowohl das Unmenschliche und auch das Ziellose. Noch mehr aber das Selbstverständnis jener Kräfte, deren Repräsentant Trump ist. Instinktiv spüren sie längst, dass ihnen das Wasser bereits bis zum Halse steht. Ihre Reaktionen sind brandgefährlich, überall auf der Welt. Denn sie atmen unverkennbar den Geist des entfesselten Faschismus. Es ist wichtig sich daran zu erinnern, wie dieser schon einmal in der Geschichte endete. Und was dieses Ende uns als unauslöschliche Mahnung hinterließ: Nie wieder!
  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Georges H. aus Schwerte (2. November 2025 um 20:59 Uhr)
    Jörg Kronauer ist nur zuzustimmen, wenn er die Drohungen von US-Präsident Trump als Vorwand zur Destabilisierung Nigerias entlarvt. Wie in Venezuela hat Trump das Öl im begierlichen Auge. Auch wenn die Drohungen des US-Präsidenten nicht als Hirngespinste eines Megalomanen abzutun sind, dürfte es vorerst darum gehen, den Widerstand der staatlichen NNPC die Privatisierung von NNPC, der regulierenden Nationalen Ölgesellschaft gegen Aliko Dangote zu brechen, des reichsten Mannes Afrikas, und seinen Raffineriekapazitäten. Und damit auch den Widerstand gegen die Privatisierung des gesamten Ölsektors mit der Folge, den Energiemarkt neu aufzuteilen. Im Hintergrund stehen die beiden konkurrierenden Mega-Gaspipeline-Projekte, die Transsaharische Pipeline TSGP über Niger nach Algerien (und Europa) und die NMGP um Westafrika herum 13 Länder speisend nach Marokko (und Europa).

Mehr aus: Ansichten