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Aus: Ausgabe vom 01.11.2025, Seite 8 (Beilage) / Wochenendbeilage

Kürbistrank vom Feuerherd

Von Maxi Wunder

Udo hat Villon gelesen und wollte danach auch mal … Nun ja. Aber die Suppe geht, siehe unten.

»O Brüder, hört vom neuen Glauben, der nicht nach Brot, nur Daten fragt! Wo Serverkathedralen ragen und Priester zum Altare ›Updates‹ tragen, jeder Klick ein Ave sagt. Der Mensch, vom Fortschritt schon betagt, kniet vor dem Bildschirm fromm und lind, sein Heil in Pixeln wohl verpackt – wer braucht noch Gott, wenn Clouds da sind?

In fernen Tälern, wo’s nach Geld riecht, dort wohnt Herr Thiel, der bleiche Mann. Er nährt sich vom geheimen Sichten unserer Spur im Netz, das uns umspann und das uns falsche Heimat gab. Ihm hilft dabei sein Palantier, ein Krake, fett und schlau. Wer es bezahlen kann, dem fängt es weg ›das Böse‹ … Thiel lächelt still, als wär’s Gesang: Wer braucht noch Gott, dass er uns wohl erlöse?

Ein andrer ruft aus Tesla-Wagen, er will zum Mars, der arme Wicht. Er predigt laut von freier Fahrt, von Kühnheit, Sturm und Sternenzelt; doch seine Straßen führen hart durch Armut, Waffen, Robowelt. Die Werkbank rostet, leer das Feld. Er nennt es Schicksal, ruft: ›Mein Geld!‹ – und zieht gen Mars, wo er zerschellt.

Ihr klugen Herrn von Silicon, die Welt, sie bringt euch reich Gewinn. Ihr sagt, der Mensch sei überflüssig, es sei Progress, geht er dahin. ›Wir pflanzen uns als Software fort!‹ ruft ihr. ›Erschaffen uns aus Null und Eins!‹ Der Alte Herr spricht aus dem Off: ›Ich nehme lieber Kohlenstoff. Und mag auch weiter zählen als bis eins. Schaff’ Leben neu aus echten Sachen. KI, Big Tech plus Großmannssucht: Das finde ich zum Lachen.‹ Er macht’ den Kürbis rot und gelb. Wer kann ihn wohl bereiten? Die Wampe kann’s, so hoffe ich (ein anderer wird’s bestreiten).«

Kürbistrank vom Feuerherd

Nehmt einen Kürbis. Halbiert ihn, entfernt die Kerne, legt ihn in den Ofen, etwa eine halbe Stunde bei mäßig heißem Feuer, bis das Fleisch weich und willig sei zum Schneiden in grobe Stücke, die ihr sodann beiseitelegt. Hackt eine Handvoll Zwiebeln fein, zerdrückt zwei Zehen Knoblauch und schwitzet beides in einem Stück Butter, walnussgroß. Gebet den Kürbis hinzu, rühret wohl um und lasset ihn ein wenig Farbe nehmen. Gießt dann einen halben Liter Brühe an, dass der Kürbis eben bedeckt sei, und lasset ihn sacht köcheln, bis er weich ist, wohl eine halbe Stunde lang. Ist dies geschehen, nehmt den Stampfer und zerdrückt alles zu einem sämigen Brei oder streicht es durch ein feines Sieb, wenn’s glatt sein soll. Setzt die Suppe wieder aufs Feuer, gießt einen Becher Sahne hinzu und würzet mit Muskat und Salz und Pfeffer großzügig. Wer es feiner mag, gebe einen Löffel Honig und Apfelessig dazu, dass Süße und Säure sich hold begegnen. Lasset sie kurz aufwallen, doch achtet, dass die Sahne nicht gerinnt. Hackt ein Bund Petersilie, pflücket die Blättlein vom Thymianzweig, röstet eine Handvoll Kürbiskerne und streuet alles über die dampfenden Näpfe. Reicht ein Stück grobes Brot oder gebackene Fladen, dass man die goldene Suppe damit schöpfen möge. Trinket dazu den Most von Äpfeln, Cider oder Bier.

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