Die stille Enteignung
Von Anne PaqWährend die internationale Aufmerksamkeit weiterhin auf Gaza gerichtet ist, findet in der Westbank eine faktische Annexion statt. Siedler, die vom israelischen Staatsapparat unterstützt werden, eignen sich immer mehr Land an, und Tausende Palästinenser werden in dem besetzten Gebiet zwangsumgesiedelt. Seit Januar wurden mehr als 40.000 Menschen vertrieben, hauptsächlich aus befestigten Flüchtlingslagern im Norden der Westbank. Dies ist die größte Bevölkerungsumsiedlung seit 1967. Die meisten von ihnen konnten noch immer nicht in ihre Häuser zurückkehren und leben unter prekären Bedingungen.
Nach Angaben der israelischen NGO Kerem Navot wurden seit Dezember 2022, als die extremistischste Regierung in der Geschichte Israels an die Macht kam, mehr als 70 Gemeinden zwangsweise vertrieben. Minister wie Itamar Ben-Gvir und Bezalel Smotrich treten offen für eine Politik der Vorherrschaft und für »ethnische Säuberungen« ein. Gleichzeitig wird die Kolonisierung intensiviert. Nach dem 7. Oktober 2023 wurden etwa 70 pastorale Außenposten errichtet, eine Strategie, die es ermöglicht, Land mit wenigen Wohnwagen und Vieh zu enteignen.
Der Fotobericht dokumentiert diese wenig bekannte Realität: entvölkerte Dörfer, von Vertreibung bedrohte Gemeinden, abgelegene Weideplätze, aber auch Formen des täglichen Widerstands. Er verdeutlicht die Dynamik der Fragmentierung des palästinensischen Territoriums, das durch Barrieren, Kontrollpunkte und Gräben geprägt ist, die den Raum teilen und jede geographische Kontinuität verhindern. Durch diesen Prozess werden die Palästinenser in städtische Enklaven zurückgedrängt, die von Hilfe abhängig sind, während israelische Siedler rasch Land an sich reißen. Diese Hindernisse verhindern effektiv die Entstehung eines zusammenhängenden Territoriums und lassen die symbolische Anerkennung eines palästinensischen Staates völlig losgelöst von der erschreckenden Realität vor Ort erscheinen.
»Unsere Augen können nicht aufhören zu weinen. In Muarradschat hatten wir alles, was wir brauchten. Jetzt ist es eine Wüste.«
Alia Mlihat, Vertriebene aus Muarradschat
»Jeden Tag kommen die Siedler, um uns anzugreifen. Aber ich werde nicht weggehen. Ich kann nirgendwo anders hingehen, und ich bin hier geboren.«
Kadri Daragmeh, Einwohner aus Ein Al-Helwa
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