»Cloudsouveränität« für die EU
Von Luca von Ludwig
Es ist für eine Möchtegernsupermacht wie die EU doch recht ärgerlich, in wie vielen Bereichen sie von ihren globalen Rivalen abhängig ist. In jüngerer Zeit wurde die Datenspeicherung in der sogenannten Cloud als strategische Schwachstelle ausgemacht. Zu deren Behebung wurde im Oktober durch die EU das »Cloud Sovereignty Framework« vorgestellt, mit dem Anbieter nach einheitlichen Standards danach bewertet werden sollen, wie gut sie gegen Einflussnahme der geopolitischen Konkurrenz abgesichert sind. Allerdings wird bereits Kritik an dem Verfahren laut.
Insgesamt acht »Souveränitätsziele« sollen bei der Bewertung von Cloudanbietern herangezogen werden. Dazu gehören neben der »strategischen Souveränität« (Stabilität der Besitzverhältnisse und deren Verankerung in der EU), der »rechtlichen Souveränität« (Absicherung vor juristischen Zugriffen anderer Staaten) und der »operativen Souveränität« (Unabhängigkeit von Eingriffen ausländischer Akteure in den regulären Betrieb) auch Fragen der Lieferketten und der verwendeten Technologien, die ebenfalls so weit wie möglich unter EU-Kontrolle stehen sollen.
Zum »Souveränitätsscore« kommen noch »Sovereignty Effectiveness Assurance Levels«, die das Minimum der jeweiligen Punktekategorien festlegen, die ein Cloudunternehmen erfüllen soll. Werden sie nicht erreicht, soll der jeweilige Anbieter automatisch von öffentlichen Auftragsvergaben ausgeschlossen werden. Umgekehrt sollen sich Staaten auf hohe Scorings als Entscheidungskriterium bei Vergabeentscheidungen berufen können.
Auf Kritik stößt dabei die Gewichtung der Teilaspekte. Der Lobbyverband Cloud Infrastructure Services Providers in Europe (CISPE) argumentiert in einer Pressemitteilung, dass die neue EU-Regelung in der Praxis ausländische Großkonzerne – wie das US-Unternehmen Amazon Web Services (AWS), dessen Ausfall vergangene Woche für weltweite Störungen bei Internetdiensten sorgte – gegenüber der relativ schwach aufgestellten Konkurrenz aus der Union bevorzugen würde. So hätten international tätige Unternehmen einen deutlichen Vorteil beispielsweise bei Faktoren wie der Eigentümerstabilität. Forderungen wie die vollständige Kontrolle von Lieferketten und Hardwarekomponenten durch EU-Akteure seien indes gänzlich unrealistisch. Die »Lieferkettensouveränität« ist mit 20 Prozent der Faktor im Scoring, der am stärksten gewichtet wird.
Wie schon im Streit um den Chiphersteller Nexperia wird durch die Angelegenheit ein Schlaglicht auf den Widerspruch der globalen Machtansprüche der EU und ihrer tatsächlichen Verfügungsgewalt über realwirtschaftliche Grundlagen geworfen. Übrigens steht sie mit ihren digitalen Unabhängigkeitsbestrebungen nicht alleine da: Wie am Donnerstag bekannt wurde, steigt selbst der Internationale Strafgerichtshof aus Angst vor Maßnahmen der US-Regierung bei seiner Bürosoftware von Microsoft auf einen deutschen Anbieter um.
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