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Aus: Ausgabe vom 29.10.2025, Seite 1 / Ansichten
Sozialdemokratie

In der Zwickmühle

SPD will Gerechtigkeit
Von Daniel Bratanovic
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Partei der Klassenversöhnung: SPD

Die deutsche Sozialdemokratie verteilt von allem ein bisschen und also überall zuwenig. In den Reihen der SPD scheint man zu glauben oder gibt zumindest vor zu glauben, dass Aufrüstung und Kriegsertüchtigung der Bundeswehr ohne Abbau und Kahlschlag des Sozialstaats zu haben seien. Nicht Kanonen statt, sondern Kanonen und Butter lautet die unausgesprochene Devise im Willy-Brandt-Haus. Ein soziales, klassenversöhntes Deutschland, das von Waffen starrt: ein sozialdemokratischer Traum. Der Herr gibt’s den Seinen im Schlaf.

Dazu gehört aber, so viel Gerechtigkeitssinn demonstriert die SPD immerhin, dass unten nicht zu hart gestrichen werden darf und oben ein klein wenig genommen werden sollte. Von der Parteibasis geht eine Initiative gegen die zwischen Unions- und SPD-Fraktion vereinbarte Bürgergeldreform aus, die vorsieht, dem Erwerbslosen auch noch das allerletzte Almosen zu nehmen, wenn er sich dem Diktat der Arbeitsagentur nicht vollständig unterwirft; Jusos und selbst der als konservativ ausgewiesene Seeheimer Kreis bringen eine Reichenbesteuerung ins Spiel. Der Jugendverband spricht gar von »konsequentem Klassenkampf«. Klingt schmissig, bleibt folgenlos.

Die SPD steckt in einer misslichen Lage. Eine weitere »Agenda 2010« wäre ihr Untergang. Seit Schröders Sozialkahlschlagsprogramm ab 2003 haben die Sozialdemokraten landesweit gut zehn Millionen Wähler verloren, geblieben sind bei der jüngsten Bundestagswahl gerade einmal acht Millionen Stimmen. Aus Gründen des Selbsterhalts muss die SPD also daran erinnern, welche Klientel sie zu vertreten mal behauptet hat.

Nach Maßgabe des hiesigen Kapitals ist selbst das zuviel. Verluste der Wettbewerbsfähigkeit seiner Produkte auf dem Weltmarkt machen aus solcher Sicht Mittel der sozialen Befriedung, die der Staat um der gesellschaftlichen Stabilität willen ergreift, zum schädlichen Beiwerk. Die Staatspartei SPD könnte am Widerspruch, das antagonistische Verhältnis von Arbeit und Kapital immer wieder aufs neue zu versöhnen, endgültig zerrieben werden.

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  • Leserbrief von Reinhard Hopp aus Berlin (29. Oktober 2025 um 10:58 Uhr)
    Was also tun, um die eigene Partei-Haut vielleicht doch noch zu retten und nicht wegen fortgesetzter zunehmender Unglaubwürdigkeit schließlich im Orkus der Geschichte endgültig zu versinken und somit mal wieder dieses Land und dessen Zukunft den Faschisten kampflos zu überlassen?
  • Leserbrief von Rayan aus Unterschleißheim (29. Oktober 2025 um 07:19 Uhr)
    Dass dieser Zombie, diese Verräterpartei, die den 1. Weltkrieg ermöglichte, gleich nach diesem ihren eigenen Leuten buchstäblich in den Rücken schießen ließ, indirekt die Nazis an die Macht brachte, unter dem weit überschätzten Brand Berufsverbote gegen die eigenen Leute verhängen ließ, unter Schröder sie dem Kapital schutzlos auslieferte, ebenfalls unter diesem den ersten völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Deutschlands nach WWII führte und mit all dem Abermillionen vor allem ihrer vorgeblich vertretenen Leute in Armut, Elend und Tod schickte, dass diese Verräter als Partei im Jahr 2025 überhaupt immer noch existieren, sagt nicht nur über die systemvernutteten Funktionäre, sondern vor allem auch über ihre vergangenen und aktuellen Wähler:innen eine Menge aus.

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