»Blutsonntag«: Soldat freigesprochen
Belfast. Erhobenen Hauptes haben die Angehörigen der 14 Opfer des Blutsonntags von Derry am Donnerstag den Saal des Belfaster Crown Courts verlassen. Der Schock und die Enttäuschung saßen dennoch tief. Denn Richter Patrick Lynch hat den für den Mord an den friedlichen Bürgerrechtlern James Wray und William McKinney am 30. Januar 1972 angeklagten Soldaten F. freigesprochen.
14 Menschen waren an jenem Tag von F.s britischem Fallschirmjägerregiment, das ein halbes Jahr zuvor bereits ein Massaker in Ballymurphy, einem Stadtteil von Belfast, verübt hatte, erschossen worden. Soldat F. wurde auch vom Vorwurf des versuchten Mordes an Michael Quinn, Patrick O’Donnell, Joseph Friel, Joe Mahon und einer unbekannten Person entlastet.
Richter Lynch hatte die Aussagen zweier Fallschirmjäger – der Soldaten G. und H. –, die im Prozess zunächst als entscheidende Beweise bezeichnet worden waren, zurückgewiesen und beschuldigte sie des Meineids: »Ihre Aussagen, die einzigen und entscheidenden Beweismittel, können nicht auf die gleiche Weise überprüft werden wie die Aussagen von Zeugen im Zeugenstand«, sagte er. »Die beiden Zeugen sind auf Grundlage des Anklagepunkts der Staatsanwaltschaft selbst des Mordes schuldig, da sie im wesentlichen Komplizen waren und das Motiv hatten, F. als Teilnehmer an ihren mörderischen Aktivitäten zu benennen.«
Mickey McKinney, der Bruder von William McKinney, sagte vor dem Gerichtssaal: »Trotz des Heldenmuts, der Standhaftigkeit und der Würde der Familien des Blutsonntags wird ein Feigling von der Anklagebank entlassen.« Colum Eastwood, sozialdemokratischer Abgeordneter für Derry, bedauerte, es sei »ein sehr schwieriger Tag«. Gerry Carroll, Abgeordneter der linken »People Before Profit«-Bewegung, betonte, den Familien der Opfer des Blutsonntags sei »auf grausame Weise Gerechtigkeit verweigert« worden. »Kein einziger britischer Soldat oder seine militärischen oder politischen Vorgesetzten wurden jemals zur Rechenschaft gezogen«, kritisierte die nordirische Regierungschefin Michelle O’Neill und nannte dies einen »Affront gegen die Gerechtigkeit«. Die Politikerin der linksrepublikanischen Partei Sinn Féin zeigte sich »tief enttäuscht«.
Soldatenverbände und loyalistische Politiker feiern dagegen: Paul Young von der nordirischen Veteranenbewegung sagte vor dem Gerichtssaal, dass das Urteil Militärangehörige, die mit »Ehre und Mut« gedient hätten, »bestärke«. (dr)
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