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Aus: Ausgabe vom 21.10.2025, Seite 1 / Titel
Kriegsprofiteure

Mehr Demokratie-Wagen

Rüstungs- und Finanzwirtschaft in einträchtigem Jubel: Der Kriegskurs sichert Aufträge und renditeträchtige Anlagen
Von David Maiwald
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Panzer, Flagge, Gesäß: Die Bundeswehr will zeigen, wie »Abschreckung« funktioniert

Freudentaumel von Rüstungskonzernen und Aktienhändlern. Während ein Joint Venture der Rüstungsschmieden Rheinmetall und KNDS einen Milliardenauftrag zum Bau neuer Schützenpanzer vermeldete, legte die Marinesparte von Thyssen-Krupp (Thyssen-Krupp Marine Systems, TKMS) an der Börse am Montag einen Turbostart hin: Der Einstiegspreis von 60 Euro pro TKMS-Aktie stieg über den Nachmittag auf mehr als 99 Euro an. »Der Sorgencocktail aus der vergangenen Handelswoche befindet sich für den Moment aus den Augen und damit aus dem Sinn von Börsianern«, zitierte Reuters einen Marktbeobachter. »Sehr froh« über die Marktbewertung mit 5,5 Milliarden Euro zeigte sich dann auch Thyssen-Krupp-Gesamtkonzernchef Miguel López: Die Aktiendepots der Anleger des Unternehmens stiegen gegenüber vergangenem Freitag zwischenzeitlich um 17 Prozent im Wert.

Längst herrscht Goldgräberstimmung bei den Kriegswaffenproduzenten. Um eine »Rüstungspreisinflation« zu vermeiden, plädierte Kriegsminister Boris Pistorius (SPD) daher unlängst für mehr Staatseinstiege. Im Fokus: Rheinmetall, KNDS und TKMS. »Wir werden in den nächsten Jahren und Jahrzehnten definitiv mehr Beschäftigung sehen, mehr Umsatz, höhere Auftragsbücher«, fasste Thyssen-Krupp-Chef López am Montag die Perspektive des Tochterunternehmens wie der gesamten Branche zusammen. TKMS-Chef Oliver Burkhard wollte noch gleichentags mit Pistorius nach Kanada aufbrechen, um in seinem Gefolge lukrative U-Boot-Aufträge an Land zu ziehen. Mit Bestellungen der Bundeswehr sowie aus Singapur und Israel beläuft sich der Auftragsbestand des Unternehmens mittlerweile auf rund 18,6 Milliarden Euro.

Auch beim hiesigen Rüstungsprimus Rheinmetall jagt ein Rekord den nächsten. Mit dem Artec-Auftrag für 222 Schützenpanzer vom Typ »Schakal« für die Bundeswehr und die niederländische Marine sicherte sich der Düsseldorfer Waffenproduzent eine Order im Volumen von 3,4 Milliarden Euro. Der Vertrag mit der Gemeinsamen Organisation für Rüstungskooperation (Organisation Conjointe de Coopération en Matière d’Armement, Occar) enthält die Möglichkeit, weitere 248 Schützenpanzer zusätzlich zu liefern. Der am vergangenen Mittwoch vom Haushaltsausschuss des Bundestags freigegebene Auftrag umfasst außerdem die Beschaffung von bis zu 356 Spähpanzern vom US-Hersteller General Dynamics mit einem Volumen von bis zu 4,6 Milliarden Euro. Für weitere 2,5 Milliarden Euro forderte Pistorius außerdem, 15 weitere F-35-Bomber aus den USA zu kaufen, berichtete der Spiegel am Montag.

Hardlinern im deutschen Kriegskurs ist das noch nicht genug. Es brauche nicht nur Panzer, Drohnen und Kampfflugzeuge, sondern auch die »Bereitschaft, dieses Material einzusetzen, (…) sowie eine Gesellschaft, die bereit ist, dafür Verantwortung und Kosten zu tragen«, tönten Bundeswehr-Dozent Carlo Masala und Nathanael Liminski, der erzkatholische Schattenmann vom einstigen Kanzleraspiranten Armin Laschet, in einem Gastkommentar für das Handelsblatt. Weil das »Moskauer Regime« immer »wagemutiger und waghalsiger« versuche, »die Spannungen zwischen der NATO und Russland anzuheizen«, würden eine stärkere Reserve, eine »perspektivische Wiedereinführung der Wehrpflicht« und außerdem ein »echter Durchbruch in der Verteidigungszusammenarbeit in Europa« nötig.

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  • Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (21. Oktober 2025 um 09:30 Uhr)
    Willy Brandts idealistische Forderung – »Mehr Demokratie wagen!« – war zu seiner Zeit ein ehrlicher Aufruf zu gesellschaftlicher Erneuerung und politischer Teilhabe. Der Titel »Mehr Demokratie wagen« im Zusammenhang mit der heutigen Rüstungs- und Finanzwirtschaft wirkt dagegen geradezu zynisch. Denn: Wann war die kapitalistische Privatwirtschaft je demokratisch? Nie! Ein kurzer Blick in die Geschichte zeigt, wie brüchig der Begriff »Demokratie« oft ist. Schon die alten Griechen, die ihn »erfanden«, lebten in einer Gesellschaft, in der eine kleine Elite philosophierte und herrschte, während Sklaven die Arbeit verrichteten. Und während sie über Tugend und Staatskunst debattierten, führten ihre Stadtstaaten nahezu ununterbrochen Krieg gegeneinander – und rodeten für ihre Flotten ihr eigenes Land kahl. Auch heute wird unter dem Deckmantel der »Sicherheit« oder gar der »Demokratie« aufgerüstet. Die Rüstungskonzerne jubeln, die Aktienkurse steigen, und die Gewinne fließen – während das Wort »Demokratie« zur bloßen Fassade einer Wirtschaftslogik verkommt, die sich in Realität nur selbst verteidigt: Profit um jeden Preis.

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