Bahn-Chefin strotzt vor Aktionismus
Von Michael Merz
Wenn die neue Chefin der Deutschen Bahn, Evelyn Palla, ankündigt, »den Konzern auf links« zu drehen, macht das erst mal einen fortschrittlichen Eindruck. Allerdings: Sie setze »auf einen kompletten Neuanfang. Dafür müssen wir alles anders machen als vorher.« Das dürfte bei den etwa 225.000 Beschäftigten des Staatskonzerns wie auch dessen häufig gebeutelten Kunden schlimme Befürchtungen wecken. Denn zu oft geht erfahrungsgemäß eher schief, was die Bahn großspurig ankündigt. Dem Blatt Bild am Sonntag (BamS) hat Palla, die am 1. Oktober den hochdotierten Posten von Richard Lutz übernommen hat, der den Konzern fast acht Jahre lang führte, nun verraten, wie die von ihr zu verantwortende Weichenstellung aussehen soll. Eine »Kampfansage« und »knallhartes Konzept«, kommentierte das Springer-Blatt – auch wenn die Bahn-Chefin in ihren Aussagen wenig konkret wurde, sich mehrfach ins Phrasenhafte flüchtete.
Um sich etwas Zeit zu verschaffen, bittet sie zunächst um »Geduld«, denn »die Modernisierung der Bahn ist ein Marathon, kein Sprint«. Mit umfangreichen Generalsanierungen sollen bis 2036 rund 40 besonders wichtige und hochbelastete Strecken grundlegend modernisiert werden. Die Pünktlichkeitsziele im Fernverkehr sind nun deutlich gesenkt, schwanken zwischen 50 und 60 Prozent. Die Bahn erhofft sich danach weniger Störungen auf den Strecken und einen zuverlässigeren Betrieb. Und Palla bekommt Rückendeckung aus dem Verkehrsministerium unter Patrick Schnieder (CDU), das Ziel des Bundes neuerdings: Eine Pünktlichkeit von mindestens 70 Prozent erst für Ende 2029.
Palla will der Basis des Unternehmens mehr Gewicht verschaffen. »Entscheidungen werden zukünftig dort getroffen, wo die Verantwortung liegt, und nicht drei Etagen höher«, sagte sie der BamS. Denn da sei das »Rückgrat«. In der Zentrale dürfte es damit zunehmend ungemütlich werden: »Ich überprüfe jeden Job auf den Mehrwert für unsere Kunden. Die Verwaltung muss dem Eisenbahner dienen.«
Für die Kunden bedeutet der Wechsel auf dem Chefposten zunächst, dass die regelmäßig vollzogenen Preiserhöhungen ausgesetzt sind. Angekündigt hatte Palla bereits, dass diese zum Fahrplanwechsel wegen der vielen Baustellen und Zugausfälle ausbleiben sollen. Fahrgästen soll zudem künftig ein digitaler »Baustellenmelder« zur Verfügung stehen, um die Reise besser planen zu können. Und: Palla will vermehrt die Feudel schwingen lassen – Züge und Bahnhöfe sollen sauberer werden, denn die seien schließlich die »Visitenkarte«.
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