»Man will bei den Beschäftigten Geld sparen«
Interview: Henning von Stoltzenberg
Im Duisburger Binnenhafen, dem größten Europas, konnte Verdi zwei neue Tarifabschlüsse durchsetzen. Mit wem wurden die vereinbart, und welche Verbesserungen hat das für die Belegschaft gebracht?
Die Hafenarbeit in Duisburg war lange Zeit weitgehend tariflos. Dementsprechend schlecht sind die Löhne und Arbeitsbedingungen. Im Vergleich beispielsweise zum Containerterminal Eurogate Bremerhaven verdient ein Duisburger Hafenarbeiter nur die Hälfte, obwohl die Arbeit hier sehr wichtig für die mitteleuropäische Logistik ist. Duisburg liegt an der Mündung der Ruhr in den Rhein und ist der wichtigste und größte Rheinhafen mit direkter Verbindung nach Rotterdam und zur Nordsee. Bei Haeger & Schmidt, einem für den Stahlumschlag in der weiterhin wichtigsten Stahlstadt Deutschlands zuständigen Betrieb, konnten die Kollegen jetzt nach monatelangem Kampf einen neuen Tarifvertrag durchsetzen. Das ist das erste Mal seit über 20 Jahren, dass hier der Neuabschluss eines Tarifvertrags gelungen ist. Die Arbeitgeber haben sich mit Händen und Füßen gewehrt, mussten sich aber letztlich geschlagen geben, weil die Kollegen konsequent Druck gemacht und mit Streik gedroht haben. Damit sind nun nicht nur ihre Arbeitsbedingungen abgesichert, sondern Tariflöhne festgelegt, die bis zu 15 Prozent höher sind als vor dem Tarifkampf. Auch die Arbeitsbedingungen bei Haeger sind nun mit die besten im ganzen Hafen – die Kollegen bekommen ein Urlaubsgeld und bis zu 200 Prozent Schichtzuschläge.
Im wichtigsten Hafenbetrieb, Duisport, steht eine Tarifregelung noch aus. Woran liegt das?
Duisport behauptet, die Beschäftigten wollten keine Tarifverträge. Da scheint aber eher der Wunsch der Vater des Gedankens zu sein. Wir haben gerade eine repräsentative Umfrage mit über 200 Beschäftigten aus allen Bereichen durchgeführt. 95 Prozent wollen mehr Geld, 95 Prozent wollen explizit einen Tarifvertrag. Und genau dafür organisieren sich auch immer mehr Kolleginnen und Kollegen bei uns. Duisport geht es also darum, bei den Beschäftigten Geld zu sparen, obwohl der Hafen hoch profitabel ist. Außerdem geht es um Macht: Ein Arbeitgeber, der nach dem Nasenprinzip Löhne festlegen kann, statt sich an eine feste Lohntabelle halten zu müssen, kann die Belegschaft besser kontrollieren. Ich habe mit Hunderten Beschäftigten gesprochen und kann Duisport nur warnen – die Beschäftigten wollen sich das nicht mehr gefallen lassen.
Wie sieht es in anderen Städten mit vergleichbarer Konstellation aus?
Der Duisport-Konzern ist der einzige größere öffentliche Hafenbetrieb der Region ohne Tarifbindung. Benachbarte Betriebe wie die Neuss-Düsseldorfer Häfen, das gemeinsame Unternehmen der Stadtwerke Neuss und Düsseldorf, oder die Häfen und Güterverkehr Köln AG, die sich im öffentlichen Eigentum der Kommunen Köln und Rhein-Erft-Kreis befindet, oder auch die Contargo Rhein-Waal-Lippe, die gemeinsame Gesellschaft von Rhenus und der Stadt Emmerich, sind dagegen an geltende Tarifverträge gebunden. Wirtschaftlich stehen alle drei gut da.
In einem offenen Brief hat Verdi die Bürgermeisterinnen Edeltraud Klabuhn (SPD) und Sylvia Linn (CDU) kritisiert. Was fordern Sie?
Der Duisburger Hafen ist ein wesentlicher Wirtschaftsfaktor der Region. Er ist in öffentlicher Hand – er gehört zu zwei Dritteln dem Land NRW und zu einem Drittel der Stadt Duisburg. Die Stadt und weitere öffentliche Geldgeber investieren Millionen in den Hafen. Dennoch haben sich die Stadtmütter und -väter bisher überhaupt nicht für gute Tariflöhne im Hafen interessiert – auch nicht die SPD. Das muss sich dringend ändern.
Was werden nächste Schritte sein, um einen Tarifabschluss mit Duisport zu erreichen?
Nach der erfolgreichen, aber noch anonymen Umfrage haben wir jetzt eine Petition gestartet, in der Beschäftigte einen Hafentarifvertrag fordern. Am letzten Mittwoch gab es auch eine erste Aktion vorm Duisburger Rathaus, wo Beschäftigte lautstark Oberbürgermeister Sören Link zum Handeln aufgefordert haben. Weitere Aktionen werden folgen, bis ein guter Tarifvertrag durchgesetzt ist.
Sören Brandes ist Gewerkschaftssekretär bei Verdi und für die gewerkschaftliche Organisierung der Beschäftigten des Duisburger Hafens zuständig
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Leserbrief von A. V. aus Duisburg (20. Oktober 2025 um 13:52 Uhr)Als Angestellter im Duisburger Hafen möchte ich meine persönliche Sicht auf die aktuelle Diskussion um Verdi und Tarifverträge schildern. Ich spreche dabei ausschließlich für mich und nicht im Namen meines Arbeitgebers. Im vergangenen Jahr war Verdi bei uns zu Gast. Die Gewerkschaft wurde von der Geschäftsführung offen empfangen, konnte mit den Mitarbeitenden sprechen und für eine Mitgliedschaft sowie für einen Tarifvertrag werben. Das Interesse blieb jedoch gering. Kaum jemand wollte sich beteiligen oder zeigte ernsthaftes Interesse. Trotzdem wurde in einigen, meist Verdi-nahen Medien der Eindruck vermittelt, die Beschäftigten im Hafen seien der Gewerkschaft gegenüber ablehnend oder es gebe interne Probleme. Für mich wirkt es eher so, als sei Verdi enttäuscht über die geringe Resonanz und versuche nun, das Thema medial künstlich am Leben zu halten. Aus meiner Sicht geht es uns Angestellten gut. Wir haben sichere Arbeitsplätze, faire Löhne und regelmäßige Gehaltserhöhungen. Besonders positiv ist, dass inzwischen die unteren Einkommensgruppen überdurchschnittlich stark berücksichtigt werden. Ich persönlich sehe daher keinen Bedarf für einen Tarifvertrag und bezweifle, dass die Mehrheit das anders sieht. Wenn von rund 1.500 Beschäftigten nur etwa 200 befragt werden, ist das kaum repräsentativ. Ich selbst habe von dieser Befragung nichts mitbekommen – und ich bin im Hafen gut vernetzt. Mein Fazit: Es gibt wichtigere Themen als einen angeblichen Arbeitskampf, den es faktisch nicht gibt. Die aktuelle Berichterstattung empfinde ich als überzogen, einseitig und realitätsfern. Natürlich kann man vieles verbessern, doch unterm Strich gilt: Uns geht es gut. Lasst uns in Ruhe arbeiten. Danke.
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Leserbrief von Pwalatz aus Duisburg (22. Oktober 2025 um 10:03 Uhr)Sehr geehrter Herr A.V., ich lasse Sie nicht in Ruhe. Zwar versuchen Sie nur für sich zu sprechen, aber im letzten Satz sprechen Sie für alle den von Ihnen empfundenen Wunsch Ihrer Kollegen aus, dass sie kein Interesse an einem Arbeitskampf hätten. Es gibt wichtigere Themen, richtig! Ihren Kollegen könnte es besser gehen, wenn sie genau so gut entlohnt würden, wie in den anderen Häfen. Keinen Tarifvertrag heißt aber auch, dass man sich willenlos der Höhe der Geldzuwendungen der Geschäftsleitung hingibt und es ideologisch als innerbetriebliche Harmonie beschreibt. In Ihrem Betrieb wird nur zufrieden gearbeitet. Außerhalb des Betriebes, steigen die Mieten, Heizkosten, Lebensmittel usw. Es geht nicht so harmonisch zu. Der gesellschaftliche Anspruch an den Arbeiter ist politisch! Er hat sich zu wehren und sich zu organisieren! MfG
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (21. Oktober 2025 um 21:10 Uhr)Sag’ ich doch: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.
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