Seehäfen mit Umschlagplus
Von Burkhard Ilschner
Knapp 8,4 Prozent Lohnerhöhung fordert die Sektion Maritime Wirtschaft von Verdi für die rund 11.000 Beschäftigten in den Seehäfen der deutschen Nord- und Ostseeküste. Das hat die Bundestarifkommission (BTK) am Dienstag bekannt gegeben, die Verhandlungen begannen am Mittwoch. Ein erstes Ergebnis lag bis jW-Redaktionsschluss nicht vor. Überraschend ist indes, der angestrebte Tarifvertrag soll nur eine Laufzeit von zehn Monaten haben.
Der Grund: Verhandlungsführerin Maren Ulbrich machte in einer Pressemitteilung deutlich, dass die wirtschaftliche Entwicklung im Seehafenumschlag »insgesamt klar nach oben« zeige. Besonders im Containerumschlag seien »Umsatz und Gewinne an etlichen Häfen wieder deutlich gestiegen«, weiß Ulbrich. Die Hafenbeschäftigten sorgten »an entscheidender Stelle für die Versorgung Deutschlands mit Gütern aller Art und leisteten so einen wichtigen Beitrag für die wirtschaftliche Entwicklung insgesamt«.
Dem BTK-Beschluss vorausgegangen war im Juni eine bis Monatsende befristete Umfrage unter den Gewerkschaftsmitgliedern, in der – so die Zusammenfassung – diese »klar signalisiert« hätten, dass nach jahrelangen Kaufkraftverlusten nun »deutliche Lohnerhöhungen« erwartet würden. Es seien schließlich »die Beschäftigten, deren Arbeit maßgeblich zum Gewinn der Hafenbetriebe, der Terminalbetreiber, der Logistiker und Lagerverwalter beiträgt. Das muss sich auch in Lohnsteigerungen wiederfinden.«
An die Adresse des Tarifkontrahenten, des Zentralverbands der deutschen Seehäfen (ZDS), richtete Ulbrich die Mahnung, man habe »eine klare Erwartungshaltung«. Konkrete Angebote von Anfang an und Verzicht auf Hinhaltetaktik seien Voraussetzung für ein zügiges und gutes Ergebnis: Verdi sei »bereit für eine konstruktive, aber nötigenfalls auch kämpferische Runde«.
Ein Blick auf Deutschlands größten Seehafen zeigt: Die Argumentation von Ulbrich ist angemessen. Denn erst vor wenigen Tagen hatte Hamburgs führender Terminalbetreiber HHLA eine beeindruckende Bilanz vorgelegt. Danach konnte der seit Herbst 2024 der Stadt Hamburg und dem Genfer Reedereiriesen MSC gemeinsam gehörende Konzern im vergangenen Jahr seine Geschäftszahlen deutlich steigern. Um 10,5 Prozent legte der Umsatz auf knapp 1,6 Milliarden Euro zu, das Betriebsergebnis gar um 22,7 Prozent auf 134,3 Millionen Euro.
Trotz dieser Zahlen sollen die Aktionäre nur eine Dividende von zehn Cent pro Anteilsschein erhalten. Wie der Onlinedienst »Hansa« Ende Juni berichtet hatte, haben die Eigner Hamburg und MSC dies gegen das Votum des Vorstands durchgesetzt, um so »das Eigenkapital der HHLA zu stärken«. Die Konzernführung unter der langjährigen Vorstandsvorsitzenden Angela Titzrath hatte 16 Cent pro Aktie vorgeschlagen. Es wird gemutmaßt, dass dieser Dissens maßgeblich zu der überraschenden Bekanntgabe beigetragen hat, dass Titzrath »im gegenseitigen besten Einvernehmen« bis spätestens zum Jahresende den Konzern verlassen werde. Trotzdem erhält sie laut »Hansa« neben ihren vollen Jahresbezügen in Höhe von 1,1 Millionen Euro eine Abfindung von knapp 1,6 Millionen Euro.
Vom ZDS, als dessen Präsidentin Titzrath momentan amtiert, gibt es bislang zwar keine Stellungnahme zur Verdi-Tarifforderung – dafür aber eine verhaltene Zustimmung zur jüngsten Bekanntgabe der Bundesregierung: Anfang Juli hatte Bundesverkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) den See- und Binnenhäfen das Förderprogramm »Klimafreundliche Schiffahrt und Häfen« offenbart, mit dem aus Mitteln des Klima- und Transformationsfonds im Zeitraum 2026 bis 2029 für rund 400 Millionen Euro Projekte unterstützt werden sollen, um Häfen und maritime Wirtschaft »klimafreundlicher« aufzustellen. Allerdings entlastet das die Häfen nach ZDS-Angaben nur teilweise: Wie wiederholt berichtet, beziffert allein die Seehafenwirtschaft ihren Investitionsstau in der öffentlichen Hafeninfrastruktur auf rund 15 Milliarden Euro. Seit Jahren mahnt die Branche daher die Erhöhung des jährlichen Bundeszuschusses von 38 Millionen Euro – für alle Seehäfen der Republik – auf mindestens 500 Millionen Euro an.
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