Hotspot von Cyberkriminalität
Von Thomas Berger
Kambodscha gerät zunehmend in den internationalen Fokus – allerdings nicht wegen wirtschaftlicher Erfolge oder touristischer Attraktionen, sondern als Hotspot globaler Cyberkriminalität. Jüngste Entwicklungen zeigen, wie weitverzweigt und skrupellos die Netzwerke agieren, die von dort aus operieren.
In einer gemeinsamen Aktion haben britische und US-amerikanische Ermittler hohe Vermögenswerte der in Kambodscha ansässigen Prince Group eingefroren. In den USA beläuft sich der beschlagnahmte Gegenwert auf rund 14,1 Milliarden US-Dollar in Bitcoin. In Großbritannien wurden 19 Immobilien sichergestellt.
Gegen den Gründer der Gruppe, Chen Zhi alias Vincent, wurde von US-Seite formell Anklage erhoben. Der 37jährige, der laut BBC sowohl die kambodschanische als auch die britische Staatsbürgerschaft besitzt, ist derzeit untergetaucht. Chen Zhis Unternehmen soll ein weitreichendes Netz von »Arbeitslagern« in Südostasien betreiben. Dort werden Menschen verschiedenster Nationalitäten – oft durch Entführung oder Täuschung – festgehalten und gezwungen, gutgläubige Investoren um ihr Geld zu bringen. Das US-Finanzministerium spricht von einer »transnationalen kriminellen Vereinigung« und hat 146 Führungskräfte der Prince Group im Visier.
Die erbeuteten Finanzmittel durchlaufen laut Ermittlern einen komplexen Geldwäscheprozess und werden in Luxusgüter wie Yachten, Immobilien und sogar Kunstwerke investiert – darunter ein bei einer Auktion in New York ersteigerter Picasso. Al-Dschasira zitiert aus Ermittlungsunterlagen, dass die Gruppe seit 2015 aktiv sei und mittlerweile in rund 30 Ländern operiere.
Während die US-Generalstaatsanwaltschaft den Ermittlungserfolg feiert, bleibt ein Aspekt weitgehend unbeachtet: die Situation der unfreiwilligen Mittäter. In Hunderten, möglicherweise Tausenden Betrugszentren – nicht nur in Kambodscha, sondern auch im bürgerkriegsgeplagten Myanmar – werden Menschen unter sklavenähnlichen Bedingungen festgehalten. Experten schätzen allein für Kambodscha bis zu 200.000 Betroffene – eine Zahl, die mit Vorsicht zu genießen ist.
Besonders häufig betroffen sind chinesische Staatsbürger, die durch Täuschung oder Kidnapping in die Zentren gebracht werden. Jüngste Befreiungsaktionen in Myawaddy, nahe der thailändisch-myanmarischen Grenze, zeigen jedoch, dass auch zahlreiche Personen aus Afrika unter den Opfern sind. Die Methoden der Rekrutierung sind dabei ebenso vielfältig wie perfide: Versprechungen auf gutbezahlte Jobs, falsche Onlinebeziehungen oder sogar fingierte Castingangebote dienen als Lockmittel. Einmal in den Fängen der Organisationen, sind Flucht oder Kontakt zur Außenwelt kaum möglich.
Nach dem gewaltsamen Tod eines südkoreanischen Collegestudenten, der mutmaßlich von einem Kriminellenring zu Tode gefoltert wurde, hat Südkorea mehrere Regionen in Kambodscha zu Tabuzonen für Reisende erklärt. Außenminister Cho Hyun bestellte den kambodschanischen Botschafter in Seoul ein und forderte ein entschlosseneres Vorgehen der Regierung in Phnom Penh.
Behörden schätzen, dass rund 1.000 südkoreanische Staatsbürger in »Cybercrimezentren« festgehalten werden. Allein bis August 2025 wurden 330 Entführungen gemeldet – ein dramatischer Anstieg gegenüber den Vorjahren, in denen jährlich nur zehn bis zwanzig Fälle registriert wurden. Die Dunkelziffer dürfte jedoch deutlich höher liegen, da viele Opfer aus Angst oder Scham keine Anzeige erstatten.
Die Prince Group gilt als einer der größten Akteure in der Branche – doch sie ist bei weitem nicht allein. In Singapur lehnte ein Richter es kürzlich ab, den Bruder und die Freundin eines mutmaßlichen Syndikatsbosses auf Kaution freizulassen. Beide sitzen seit dem 11. September in Untersuchungshaft.
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