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Aus: Ausgabe vom 18.10.2025, Seite 8 / Ansichten

Warkens bittere Pille

Von Oliver Rast
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Voller Esprit und unbändigem Tatendrang: Bundesgesundheitsministerin Nina Warken

Leere Versprechen, hohle Aussagen. Von Amts wegen. Von der ministeriellen Ressortleiterin für Gesundheitliches, Nina Warken (CDU). Der Zusatzbeitrag der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) würde 2026 stabil bleiben, sagt sie. Bei durchschnittlich 2,9 Prozent, sagt sie. Mittels des durch das vom Bundeskabinett am Mittwoch beschlossenen »Sparpakets«. Das ist zwei Milliarden Euro leicht. Das absolute Gros der Summe sollen Kliniken aufbringen – etwa durch gedeckelte Leistungsvergütungen. Zweifel allerorts im Blätterwald, zuvorderst in der gewichtigen Wochenendausgabe vom Handelsblatt. Das hastig zusammengeschnürte Päckchen – ein Pflaster auf eine klaffende Wunde.

Vorweg: Der Zusatzbeitrag für die 58,6 Millionen gesetzlich Versicherten hierzulande kommt obendrauf zum allgemeinen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Den bestimmen die 90 Krankenkassen. TK-Boss Jens Baas – übrigens vorsorglich privatversichert – befürchtet »Beitragsanstiege auf breiter Front«. Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (VDEK), gleichfalls. »Das ist keine Panikmache, sondern Erfahrung aus den letzten Jahren.« Und »befremdlich« findet Elsner: Warken habe den Zusatzbeitrag festgelegt, bevor Experten des GKV-Schätzerkreises tagten. »Die Ministerin hat hier Fakten geschaffen.« Ein Formfehler vielleicht, mehr nicht.

Schlimmer ist: Milliarden Euro fließen jährlich aus der GKV in Aufgaben, die eigentlich aus Steuermitteln zu finanzieren wären – beispielsweise für Rentenversicherte oder Mutterschaftsleistungen. Faktisch veruntreute Beitragsgelder für versicherungsfremde Leistungen. Eine klare Trennung der Mittelvergabe wäre überfällig, doch Warken ignoriert das geflissentlich.

Noch schlimmer ist: Deutsche Krankenkassen zahlen europaweit mit die höchsten Preise für Arzneimittel. Besonders für neue, patentgeschützte Medikamente. Preisverhandlungen und eine stärkere Orientierung an internationalen Referenzpreisen könnten Milliardensummen sparen. Schließlich ist der Ausgabenposten für Arzneien der zweitgrößte der GKV. Nur, mit der Pharmalobby legt sich die Ministerin nicht an. Sie kuscht lieber.

Was nun? Nun die Prognose des Autors: Der Zusatzbeitrag wird erhöht, zum Jahreswechsel schon, um geschätzt 0,3 Prozent. Ein Indiz: Das Gesundheitsministerium hatte bereits im Sommer den Wert von 2,5 auf 2,9 Prozent »korrigiert«. Warken wird den GKV-Beitragszahlern aber weiterhin Beruhigungspillen verabreichen. Placebos zur Symp­tomlinderung – alles mit bitterem Nachgeschmack. Das wird übel.

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