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Aus: Ausgabe vom 18.10.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Genozid in Gaza

Der Theatermacher

»Friedensplan« des US-Präsidenten für den Gazastreifen steht trotz pompöser Vorstellung auf wackligen Füßen
Von Knut Mellenthin
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Verstehen sich gut: Der US-Präsident und Israels wegen Völkermordes gesuchter Premier (Jerusalem, 13.10.2025)

Donald Trumps Idee, die Kontrolle über den Gazastreifen zu übernehmen und ihn zu einer Luxus-Riviera des Nahen Ostens umzugestalten, wird vorläufig nicht umgesetzt. Ein oder zwei Millionen Bewohner, die der US-Präsident eigentlich in »schöne Gebiete« wie Somalia, Syrien, Sudan, Libyen und Marokko »umsiedeln« wollte, dürfen in die Ruinen zurückkehren, bis die israelischen Streitkräfte den unterbrochenen Krieg wiederaufnehmen. Der exzentrische Milliardär hatte der Welt seine »Vision« am 4. Februar auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Israels Premier Benjamin Netanjahu vorgestellt. Aber jetzt gilt seit ein paar Wochen der »Trump-Friedensplan« 2.0: »Große Eintracht und dauerhafte Harmonie« haben die gesamte Region erfasst, »Frieden in alle Ewigkeit« scheint, »so Gott will«, greifbar nahe, eine »historische Morgenröte« leuchtet »das Goldene Zeitalter des Nahen Ostens« ein, das ein »Zeitalter des Glaubens, der Hoffnung und Gottes« sein wird.

Das sind Zitate aus der Rede, mit der sich Trump am Montag dieser Woche an die Abgeordneten des israelischen Parlaments, an »alle Nationen der arabischen und muslimischen Welt« und zugleich an die Menschen des ganzen Erdballs wandte. Dass der US-Präsident die Ansprache damit begann, seine »Dankbarkeit gegenüber einem Mann von außergewöhnlichem Mut und Patriotismus auszudrücken, dessen Partnerschaft soviel dazu beigetragen hat, diesen denkwürdigen Tag zu ermöglichen«, kennzeichnet die Intention des Auftritts. Insgesamt dreizehnmal, sogar noch öfter als seinen Schwiegersohn Jared Kushner, sprach Trump in seiner Rede den israelischen Regierungschef, den er vertraulich »Bibi« nannte, direkt an. Mal Lob spendend, mal Zustimmung heischend, mal gutmütig mahnend: »You’re not at war any more« (Du bist nicht mehr im Krieg) und »You can’t beat the world … Ultimately the world wins« (Du kannst die Welt nicht schlagen … Am Ende siegt die Welt).

Beides sieht Netanjahu anders, der schon angekündigt hat, den Krieg »bis zum vollständigen Sieg« fortsetzen zu wollen, und der sich weder um »die Weltmeinung« noch um die ohnehin geringfügigen und praktisch folgenlosen Einwände des US-Präsidenten Gedanken macht. Trump hatte »die Ausgabe von Milliarden Dollar genehmigt, die in Israels Verteidigung gingen«, woran der US-Präsident in seiner Rede erinnerte, und er würdigte Netanjahu als »einen der großartigsten Präsidenten in Kriegszeiten«, während Jair Lapid, der Chef der liberalen Partei Jesch Atid, mit dem Sätzchen abgespeist wurde, er sei »ein sehr netter Oppositionsführer«, und der wichtigste Gegenspieler des Premierministers, Naftali Bennett, in Trumps Ansprache unerwähnt blieb.

Dass der US-Präsident im Nahen und Mittleren Osten »eine neue Koalition stolzer und verantwortungsbewusster Nationen im Entstehen« sieht, kann auf Dauer nicht darüber hinwegtäuschen, dass die zerbrechliche Vereinbarung zwischen Israel und dem palästinensischen Widerstand noch keine erkennbaren Impulse für Trumps Streben nach einer Ausweitung der sogenannten Abraham-Abkommen gebracht hat. Ohne irgendein israelisches Signal, das als Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern gedeutet werden könnte, wird sich wohl Saudi-Arabien als richtungsgebender arabischer Staat der Region nicht bewegen.

»Sogar zum Iran, dessen Regime soviel Tod über Nahost gebracht hat, bleibt die Hand der Freundschaft und Zusammenarbeit offen« – an mehreren Stellen seiner Knesset-Rede brachte Trump einen »Deal« mit der Islamischen Republik ins Spiel. Nicht nur als bloße Hoffnung, sondern als zur Gewissheit überhöhte Zuversicht: »They wanna make a deal« (Sie wollen einen Deal machen). Was an sachlichen Hinweisen für diese Behauptung fehlt, versuchte er durch mehrfache Wiederholung zu überspielen. Wenn es nicht nur bloßer Zufall ist, scheinen Trump und Netanjahu dieselben Ghostwriter zu beschäftigen. Israels Premier mit der Rekordamtszeit wandte sich in der Vergangenheit mehrmals in Videoansprachen an das »persische Volk« und bemühte sich, an die damaligen Proteste anzuknüpfen, deren zentrale Parole – »Frauen, Leben, Freiheit« – er sogar in der Landessprache Farsi wiederholte.

Aber Trump hat eine spezifische Art, um Freundschaft zu werben. In seiner Knesset-Rede ergänzte er den Hinweis, »sieben dieser wunderschönen B-2-Bomber« hätten am 22. Juni an den Angriffen auf Irans Nuklearanlagen teilgenommen, durch die Mitteilung, dass gerade weitere 28 dieser Flugzeuge bestellt worden seien. Als Argumentationshilfe in kommenden Verhandlungen, muss man annehmen. Gegenwärtig haben die USA 19 solche. mit einem Tarnkappensystem ausgerüstete Langstreckenbomber im Einsatz.

Hintergrund: Normalisierung mit Israel

Die »Abraham Accords« gelten allgemein als größter, wenn nicht sogar einziger Erfolg von US-Präsident Donald Trump in seiner ersten Amtszeit zwischen Januar 2017 und Januar 2021. Ihr zentrales Ziel war der scheinbare Nachweis, dass der arabische und darüber hinaus auch der islamische Teil der Welt bereit sei, seinen Frieden mit Israel zu machen, während dieses gleichzeitig die Auslöschung der palästinensischen Nation und die endgültige Annexion der seit 1967 besetzten Gebiete vorantreibt.

Aber über die ersten vier Staaten, die sich von der Trump-Administration locken ließen, ihre Beziehungen zu Israel zu »normalisieren«, kam der Versuch bisher nicht hinaus. In einem dieser Länder, Sudan, wurde das Abkommen gar nicht erst ratifiziert. Dabei waren seine damaligen Machthaber für ihre am 6. Januar 2021 geleistete Unterschrift mit der Streichung des Landes von der US-Liste der terrorfördernden Staaten und dem dadurch möglich gewordenen Zugang zu internationaler Finanzhilfe belohnt worden. Das Königreich Marokko bekam als Gegenleistung für seinen am 10. Dezember 2020 erfolgten Beitritt die Anerkennung seiner Herrschaft über die frühere spanische Kolonie Westsahara.

In der Hoffnung, auf einer Welle von Euphorie über das Gazaabkommen schwimmen zu können, unternahm Trump in der zurückliegenden Woche bei seinen Auftritten im israelischen Parlament und beim »Friedensgipfel« im ägyptischen Scharm Al-Scheich einen zweiten Anlauf. »Schließt euch den Abraham Accords an!« rief er in seiner Rede vor den Abgeordneten der Knesset den islamischen Staaten zu. Jedes einzelne der vier Länder, die das vor fünf Jahren taten, habe davon »finanziell unglaublich profitiert«. Sogar während des von Israel seit Oktober 2023 geführten Krieges im Gazastreifen seien sie den Abkommen treu geblieben, und das nicht nur aus Loyalität, sondern weil die Abraham-Verträge ein »wirklich gutes Geschäft« seien. Als glaubwürdigen Kronzeugen für diese Behauptung wandte Trump sich an seinen Schwiegersohn Jared Kushner , der bei der Anbahnung der Verträge eine zentrale Rolle gespielt hatte. Es stimmt: Gute Geschäfte macht Kushner in der Region vor allem selbst. (km)

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