Gewerkschafter heimlich in China
Von Dieter Reinisch, Wien
Die Beziehungen zwischen Österreich und der Volksrepublik China sind gut: Außenministerin Beate Meinl-Reisinger traf ihren Amtskollegen Wang Yi am 12. September im Rahmen eines offiziellen Besuchs in Wien: Sicherheit, Wohlstand und globale Herausforderungen standen im Fokus.
Am 29. September gab es dann in einem Wiener Innenstadthotel einen großen Empfang zum chinesischen Nationalfeiertag. Hauptredner war der Präsident der Österreichisch-Chinesischen Freundschaftsgesellschaft und ehemalige Bundespräsident Heinz Fischer.
Wenige Tage zuvor hatte sich Bundeskanzler Christian Stocker mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang am Rande der UN-Generalversammlung in New York getroffen. Die chinesische Tageszeitung People’s Daily berichtete darüber in der Ausgabe vom 25. September. Stocker erklärte, China sei einer der wichtigsten Handelspartner Österreichs, und die bilateralen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen entwickelten sich stark. Die österreichische Regierung halte an der Ein-China-Politik fest, erkenne Taiwan nicht als souveränen Staat an und unterhalte keinen offiziellen Austausch mit Taiwan, wird er darin zitiert.
Die Zeitung berichtete außerdem über einen Besuch einer hochrangigen Delegation des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) in China. Doch vom Besuch des ÖGB-Präsidenten Wolfgang Katzian war in Österreich bisher nichts zu vernehmen.
Wer mehr erfahren möchte, muss chinesische Print- und Digitalmedien heranziehen. Am 24. September traf sich Wang Dongming, stellvertretender Vorsitzender des Ständigen Ausschusses des Nationalen Volkskongresses und Vorsitzender des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes, in Beijing mit einer ÖGB-Delegation unter der Leitung von Katzian. »Beide Seiten tauschten sich über die Umsetzung des wichtigen Konsenses der beiden Staatsoberhäupter und die Vertiefung des Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen den Gewerkschaften aus«, ist in People’s Daily zu lesen. Von dem Besuch berichtete zuerst die Nachrichtenagentur Xinhua.
Xu Liuping, stellvertretender Vorsitzender und Erster Sekretär des Sekretariats des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes, und Wei Dichun, stellvertretender Vorsitzender und Sekretär des Sekretariats des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes, nahmen an dem Treffen ebenfalls teil. Einen Tag später berichtete dann das Internationale Sekretariat des Zentralkomitees der Chinesischen KP von einem Besuch Katzians bei Ma Hui, Vizeminister des Internationalen Sekretariats, in Beijing. Neben der »Förderung der Beziehungen zwischen China und Österreich« war auch »die aktuelle internationale Lage« ein Thema des Gesprächs.
Katzian ist nicht nur der Präsident des ÖGB, sondern auch sozialdemokratischer Parlamentarier, Mitglied des SPÖ-Bundesparteipräsidiums und auf europäischer Ebene Präsident des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Um so überraschender, dass diese hochrangigen Treffen zwischen der Delegation aus Österreich und den chinesischen Vertretern über drei Wochen später noch nicht zu einer Erwähnung in den Medien des ÖGB geführt haben.
Die jW kontaktierte die Presseabteilung des ÖGB, darunter die Pressesprecherin von Katzian, Litsa Kalaitzis, stellte Fragen zu Zweck und Dauer der Delegation und wollte wissen, ob eine Berichterstattung noch geplant sei. Daraufhin kam eine schriftliche Antwort von Marcus Strohmeier, Internationaler Sekretär des ÖGB, in der er bestätigte, dass die »China-Reise unter Leitung von ÖGB-Präsident Katzian« im September stattgefunden habe: »Es handelte sich um einen lange vorbereiteten Gegenbesuch im Rahmen der bilateralen Kontakte, die der ÖGB mit vielen Gewerkschaftsbünden weltweit pflegt«, so Strohmeier.
Die Reise sei »sehr erfolgreich« verlaufen, und »wir konnten zahlreiche interessante Gespräche in China, vor allem im Gewerkschaftsumfeld, führen«, dennoch sei eine öffentliche Information über die Reise nicht geplant: »Die Reise an sich, wie viele andere bilaterale Austauschprogramme, war nicht außergewöhnlich, weshalb wir auch im Speziellen nicht darüber berichtet haben«, erklärte Strohmeier. Basierend auf der dortigen Berichterstattung sehen das die chinesischen Kollegen offensichtlich anders.
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