Zu viele Arbeitsgerichte in NRW?
Von David Bieber
Die Diskussion über den Abbau von Arbeitsgerichten in Nordrhein-Westfalen läuft schon eine Weile. Bis Ende 2025 soll feststehen, welche Standorte geschlossen werden, bis 2027 soll die Auflösung der Gerichtsstandorte vonstatten gehen. Ein entsprechendes Eckpunktepapier kursiert seit einem Vierteljahr in der nordrhein-westfälischen Politik. Die Debatte werde im Augenblick »gemeinsam mit den Präsidenten der Landesarbeitsgerichte und allen relevanten Interessenvertretungen durchgeführt«, erklärte das Justizministerium gegenüber jW.
Allein im Landesarbeitsgerichtsbezirk Hamm sollen elf Gerichte wegfallen, wie die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) am Montag berichtete. In den beiden übrigen Bezirken, Düsseldorf und Köln, seien fünf weitere Arbeitsgerichte bedroht. Betroffen wäre wieder einmal insbesondere das strukturschwache Ruhrgebiet.
Die Standorte Gelsenkirchen, Herne und Iserlohn sollen aufgelöst und die Standorte Essen und Oberhausen zusammengelegt werden. Auch stünde als Berufungsinstanz das Landesarbeitsgericht Köln zur Debatte. Das Justizministerium hat diese konkreten Schließungspläne noch nicht bestätigt.
Der Landesrechnungshof hatte vor sieben Jahren die hohen Kosten für Liegenschaften und ineffiziente Mehrfachstrukturen angemahnt. Demnach genügten lediglich die Hälfte der aktuell 30 Arbeitsgerichte in dem größten Bundesland. Einige von den 30 Arbeitsgerichten haben kaum ein Dutzend Beschäftigte. An 18 Arbeitsgerichten in NRW seien nur vier oder weniger Richter tätig, was organisatorische Schwierigkeiten mit sich bringe – etwa bei Ausfall oder Urlaub. Die Fallzahlen in NRW seien nach Angaben des Justizministeriums zudem insgesamt seit 2014 rückläufig. Damit sei auch ein Rückgang an Personal verbunden. Im Jahr 2014 waren bei den Arbeitsgerichten noch 788 Bedienstete tätig, heute sind es 707, und damit gut zehn Prozent weniger, wie dpa Ende Juni meldete. Als Ursache für die rückläufige Zahl der Verfahren gaben die Gerichtspräsidenten demnach »die gute wirtschaftliche Konjunktur der vergangenen Jahre sowie den Trend zur außergerichtlichen Streitbeilegung« an.
Anders stellen es Angestellte dar. Am Standort Gelsenkirchen reagierten die Beschäftigten mit Unverständnis auf die Reformpläne, denn dort steigen die Fallzahlen. Vor allem in den Bereichen Einzelhandel, Pflegedienst und Leiharbeit hätten die Fälle mit prekärer Beschäftigung vor dem Arbeitsgericht zugenommen, wie die WAZ schon 2023 berichtete. Nun befürchten die Angestellten dort, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Man hoffe nun, dass die Strukturreform noch aufgehalten werden kann.
Die Anwaltskammern in NRW beklagen zudem, dass Bürgern – in dem Fall Lohnabhängigen – dadurch der Zugang zum Recht erschwert werde. Aus ihrer Sicht dürften Gerichte nicht unter Wirtschaftlichkeitserwägungen betrachtet werden.
Manche Justizangestellte vertraten im jW-Gespräch die Ansicht, dass es in Bereichen mit sinkender Fallzahl und Arbeitsbelastung sinnvoll sei, Richter abzuziehen. Aber geschlossene Gerichte müssten durch größere Einheiten aufgefangen werden. Das könnte möglicherweise für Düsseldorf der Fall sein. Manche befürchten in dem Zusammenhang, dass die Reform der Auftakt sein könnte für drastische Umwälzungen beim Gebäudemanagement. Bei den Sozialgerichten sei es bereits so, dass die meisten Richter fast ausschließlich von zu Hause aus arbeiten und nur ins Gerichtsgebäude kämen, wenn es unvermeidbar sei.
Auch das Justizministerium erklärte, dass die Arbeit sich deutlich verändere und digitaler und ortsunabhängiger gearbeitet werde. Diesem veränderten Arbeiten wolle man Rechnung tragen. Die Reform sieht unter anderem auch vor, dass es mindestens zwölf »auswärtige Gerichtstage« geben soll. Dann müssten sich Richterinnen und Richter mit Klageschriften mit den jeweiligen Ortsbezügen auf Reisen zu anderen Gerichten im ganzen Land machen.
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