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Aus: Ausgabe vom 16.10.2025, Seite 14 / Leserbriefe

Aus Leserbriefen an die Redaktion

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Budzislawskis Weltbühne

Zu jW vom 10.10.: »Späte Erfüllung«

Christian Stappenbeck ist für seinen interessanten Artikel »Späte Erfüllung« sehr zu danken. Er rückt gleich drei sehr wichtige aktuelle Punkte linker Publizistik in unser Gesichtsfeld. Erstens den historisch wichtigen und seinerzeit sehr bekannten Publizisten Hermann Budzislawski. Zwar ist 2022 eine verdienstvolle Biographie des Historikers Daniel Siemens über ihn, der in der Ahnenreihe von Ossietzky, Tucholsky oder Heinrich Mann steht, erschienen. Dass gerade heute wieder an sein publizistisches Wirken in der Weltbühne für Frieden, Antifaschismus und überhaupt gegen jede Art von Intoleranz erinnert wird, ist wirklich zeitgemäß.

Zweitens bringt der Artikel auch neue Sichten auf Budzislawskis Erzfeind und Rivalen William Schlamm, einen üblen und verbohrten Antikommunisten im Dienst von McCarthy oder auch des Springer-Imperiums. Dies ist eine Warnung auch vor heutiger Intoleranz und Hasspublizistik.

Drittens geht es schließlich bei Budzislawski und auch bei Schlamm natürlich um die Geschichte des berühmten roten Blättchens namens Weltbühne. Es war, neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer für Journalisten, auch lebenslang sein Lieblingskind. Damit verbinden viele DDR-Bürger gute Erinnerungen. Stappenbeck erinnert an die juristischen Querelen um den Titel, die nach der Wendezeit zunächst zum Verschwinden dieser Qualitätszeitschrift und nunmehr dazu geführt haben, dass es jetzt gleich drei konkurrierende Publikationen gibt, die von sich behaupten, das Erbe Ossietzkys oder auch Budzislawskis fortzusetzen. Dieses Zersplittern linker Publizistik ist gewiss nicht im Sinne von Hermann Budzislawski.

Karl-Heinz Röhr (ehemaliger Assistent Hermann Budzislawskis, Fakultät für Journalistik, Karl-Marx-Universität), Leipzig

Plädoyer für den ÖPNV-Ausbau

Zu jW vom 4.10.: »Brutaler Aufklärer des Tages: Roland Koch«

Ausgerechnet Roland Koch (CDU). Zusammen mit seinem Kumpanen Peer Steinbrück (SPD) machte der schon vor über 20 Jahren Vorschläge zur Schrumpfung (!) der überaus wichtigen Basisfunktion »Verkehr«, die Steinbrück leider später als Bundesfinanzminister destruktiv ausleben konnte. Beide »Ministerpräsidenten«, der nie gewählte Steinbrück und der mit FDP-Hilfe gewählte Koch, versuchten insbesondere den ÖPNV mit ihrem unoriginellen Rasenmähersparprogramm willentlich zu erdrosseln. Oder wie war das mit den ÖPNV-Regionalisierungsmitteln, die beide unzutreffend als »Subventionen« klassifizierten? Tatsächlich handelt es sich um Leistungseinkauf der Länder oder von deren Verbünden bei Verkehrsunternehmen, und zwar mit Mitteln des Bundes. Die beiden Kumpane reduzierten diese. Spätestens jetzt brauchen wir also drastisch erhöhte Regionalisierungsmittel. Alle Regierungsparteien auf Länderebene – also alle Parlamentsparteien außer der AfD, sogar einschließlich der FDP – befürworteten schon vor der Bundestagswahl 2021 einstimmig die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken! Das galt nur mit verbindlicher Bestellung der Leistungen durch die Länder bzw. Verbünde oder ähnliche Länderinstitutionen, und zwar mit den Mitteln des Bundes. Her damit!

Mit besserer Infrastruktur – und genau das wäre ein dichter bedientes ÖPNV-Netz anstelle eines Koch-Steinbrück- bzw. Union-SPD-Schrumpf-ÖPNV – gäbe es meinetwegen auch bessere Voraussetzungen für Kochs »Wirtschaft« und »Wachstum«, selbst wenn beide natürlich niemals Selbstzweck sein dürfen. In Sachen Substitution ökologisch schädlicherer Verkehrsträger durch die Schiene und ergänzende Zubringerbusse verträgt genau dieser Sektor sogar noch Kochs Hobby »Wachstum«, das in anderen Sektoren längst nicht mehr wünschenswert oder verträglich ist.

Bernhard May, Wuppertal

Klassendespotie

Zu jW vom 10.10.: »Macron bleibt sitzen«

In Frankreich handelt es sich weniger um theatralische Proben zum »Untergang« (I. Hidy, Leserbrief vom 08.10.2025), sondern unverändert um die uneingeschränkte Despotie einer Klasse über andere Klassen (»Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte«, MEW, Band 8, S. 111–207). Dieser Klassensieg zeitigt unter dem ökonomischen Druck sinkender Akkumulationsdynamik (Quote und Rate der Akkumulation fallen seit Jahren, siehe: »Der deutsche Kapitalismus 1950–2023« von Stephan Krüger, VSA 2024, S. 107) gesellschaftliche Verwerfungen, denn die vermeintlich »alten Rezepte« (I. Hidy) sind im Kern das unveränderte Verteilungssystem, womit das gesellschaftliche Mehrprodukt überproportional zugunsten des Kapitals ausfällt, wo es nur zur Schatzbildung beiträgt. Darum leere Staatskassen und soziale Einschnitte. Die Zweite Republik von 1848 ist seit der Junischlächterei mit ihrem Sieg des Kapitals über die Arbeit von ihrer politischen Umwälzungsform der bürgerlichen Gesellschaft in deren konservative Lebensform der fünften Republik degeneriert. Europa lebt in einer Überakkumulationsperiode und Frankreich geht im Abstieg voran.

Frage für Macron: Wie müssen die neuen Produktionsverhältnisse unter bestehenden Eigentumsverhältnissen politisch flankiert werden für einen neuen Akkumulationsschub? Frage für die französischen Lohn- und Gehaltsempfänger: Ist das von diesen wirtschaftlichen Erfordernissen beherrschte Dasein für uns wünschenswert? Der politische Konflikt in der französischen Nationalversammlung resultiert im aberwitzigen Ausschluss der Opposition (326 Sitze) durch die Regierung (251 Sitze) bei der Behandlung dieser Fragen. Deren Lösung muss, wie immer, auch Europa interessieren.

Enrico Mönke, Ottenhagen

Dass gerade heute wieder an das publizistische Wirken von Hermann Budzislawski in der Weltbühne für Frieden, Antifaschismus und überhaupt gegen jede Art von Intoleranz erinnert wird, ist wirklich zeitgemäß.

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