Präsident will nicht gehen
Von Hansgeorg Hermann
Zeit bis Mittwoch abend hat Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron seinem am Montag morgen nach 27 Tagen zurückgetretenen Premier Sébastien Lecornu gegeben. Bis dahin soll er in einem »ultimativen« Versuch das politische Zentrum – die bürgerlich-rechten Les Républicains (LR), die Sozialdemokraten sowie die wirtschaftsliberalen Renaissance, Modem und Horizon – doch noch zu einer einigermaßen handlungsfähigen Minderheitsregierung zusammenkleistern. Macron hatte Lecornus Rücktritt zunächst angenommen, seinen ehemaligen Vertrauten wenige Stunden später dann aber doch verpflichtet, ihm aus der Klemme zu helfen. Die Differenzen zwischen Macrons Block, den Reformsozialisten und den Bürgerlich-Rechten schienen allerdings unüberwindlich, so der Stand am Dienstag nachmittag. Alte Gefolgsleute, wie etwa der Ministerpräsident von 2017, Édouard Philippe, forderten am Dienstag vorgezogene Präsidentschaftswahlen. Seit Dezember 2023 hat Macron vier Premierminister seines eigenen politischen Lagers verbrannt, Lecornu eingeschlossen.
Die öffentliche Reaktion auf den vorerst letzten Akt des Pariser Schmierentheaters war am Dienstag entsprechend: Die Medien des Landes forderten nahezu unisono Neuwahlen und/oder den Rücktritt des Präsidenten, den sie für die verfahrene Situation verantwortlich machen. Mit der von Macron am Sonntag forcierten Aufstellung der nun obsoleten Regierung habe die französische Staatskrise einen vorläufigen Höhepunkt erreicht. Auch der Anfang 2024 als Premier gescheiterte Gabriel Attal bezeichnete die Entscheidungen des Staatschefs noch am Montag abend als »völlig unverständlich«.
Ausgelöst hat Macron das Chaos nach allgemeiner Einschätzung mit der Auflösung der Nationalversammlung im Juni 2024. Statt einen Kandidaten des linken Bündnisses Nouveau Front Populaire, das die Neuwahlen einen Monat später gewonnen hatte, mit der Regierungsbildung zu beauftragen, nominierte er den betagten EU-Politiker Michel Barnier, Repräsentant der rechten Partei Les Républicains. Die Republikaner, mit lediglich 7,4 Prozent zur Kleinpartei geschrumpft, hatten sich als einzige politische Gruppe nicht dem parteiübergreifenden »Front républicain« – der Macron 2022 gegen Marine Le Pen zum Sieg verhalf – angeschlossen und scheinen derzeit eine Partnerschaft mit den extremen Rechten anzubahnen.
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Leserbrief von Istvan Hidy aus Stuttgart (8. Oktober 2025 um 09:41 Uhr)Frankreich probt den Untergang – und Europa schaut zu. In Paris ist mit dem Herbst auch die Theaterzeit eingeläutet. Emmanuel Macron spielt die Hauptrolle in einem Drama, das längst keine Tragödie mehr, sondern eine Polit-Farce ist. Kaum hat sich Premier Lecornu im Amt eingerichtet, tritt er schon wieder ab – vermutlich mit mehr Augenringen als Reformen im Gepäck. Der Präsident, einst der jugendliche Hoffnungsträger Europas, wirkt inzwischen wie der Gastgeber einer Party, zu der niemand mehr kommen will. Während seine Expremiers öffentlich die Messer wetzen und Marine Le Pen höflich das Chaos von der Seitenlinie kommentiert, spricht Macron von »Verantwortung übernehmen« – was in Paris offenbar »Neuwahlen und noch mehr Verwirrung« bedeutet. Das Land steckt fest zwischen leeren Staatskassen und vollen Egos. Doch das französische Drama ist mehr als nationale Selbstbeschäftigung. Es ist das Brennglas eines europäischen Problems: Die alten Rezepte – Reformer mit Sendungsbewusstsein, große Reden, kleine Mehrheiten – schmecken abgestanden. Macron, der letzte große Europäer, hat seine eigene Bewegung zerlegt und gleich das System der Fünften Republik mit ins Wanken gebracht. Während Trump & Co. am Atlantikrand hämisch Beifall klatschen, träumt Europa weiter vom »guten Management« – als wäre das schon die neue Revolution. Vielleicht ist das Fazit also simpel: Frankreich stolpert, Europa schwankt – und die Zukunft schaut kopfschüttelnd zu.
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