Die Lizenz zur Jagd
Von Lars Pieck
Fast unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Donald Trump Ende September eine nationale Sicherheitsrichtlinie unterzeichnet, die weitreichende Folgen für die politische Meinungsfreiheit haben könnte. Die National Security Presidential Memorandum 7 (NSPM-7) genannte Direktive stuft »antichristliche« und »antiamerikanische« Ansichten als mögliche Hinweise auf radikale linke Gewalt ein.
Die Richtlinie weist die Joint Terrorism Task Force (JTTF) des FBI an, »Netzwerke, Einrichtungen und Organisationen, die politische Gewalt schüren«, zu untersuchen. Als Warnsignale gelten dabei nicht konkrete Handlungen, sondern überwiegend weltanschauliche Haltungen: Antiamerikanismus, Antikapitalismus, Antichristentum, Unterstützung für den Sturz der US-Regierung, Extremismus in bezug auf Migration, Rasse oder Geschlecht sowie Feindseligkeit gegenüber Menschen mit traditionellen Ansichten zu Familie, Religion oder Moral.
Die Formulierungen sind derart weit gefasst, dass sie nicht nur bestimmte Organisationen, die als extremistisch ausgewiesen werden, sondern auch Protestbewegungen, zivilgesellschaftliche Gruppen oder Regierungskritiker erfassen könnten. Damit öffnet die Richtlinie der politischen Überwachung Tür und Tor und erweitert die staatliche Kontrolle erheblich. NSPM-7 vertieft die innenpolitische Ausrichtung des Antiterrorapparats und erlaubt Bundesbehörden, politische Aktivitäten und Äußerungen als mögliche Hinweise auf »Radikalismus« zu überwachen. Ein deutlicher Bruch mit früheren Memoranden der Staatssicherheit, die den Schutz der Meinungsfreiheit betonten. Zusätzlich soll das Finanzministerium Finanznetzwerke »linker Gewalt« aufspüren und unterstützenden Organisationen den Steuerstatus entziehen.
Die Richtlinie beschreibt politische Gewalt als Ergebnis »organisierter Kampagnen« zur Einschüchterung und Radikalisierung, die häufig in Onlineforen, sozialen Medien oder Bildungseinrichtungen beginnen.
Im Mittelpunkt steht der Einsatz der JTTFs des FBI, deren landesweites Netzwerk von mehr als 4.000 Beamten nun gezielt auf die Bekämpfung »linker politischer Gewalt« ausgerichtet wird. Da diese Strukturen bereits bestehen, kann die Regierung sie ohne zusätzliche Aufsicht durch Kongress oder Bundesstaaten einsetzen. NSPM-7 beauftragt die Taskforces, eine nationale Strategie zu entwickeln, um Organisationen und Personen, die politische Gewalt fördern, auch präventiv zu »ermitteln, strafrechtlich zu verfolgen und zu zerschlagen«.
Besonders betroffen dürften Anti-ICE-Proteste sein. Zusammen mit Trumps Einstufung der »Antifa« als Terrororganisation und dem Einsatz der Nationalgarde in vermeintlichen »Antifa«-Hotspots wie Portland zielt die Maßnahme darauf ab, die linke Opposition auf der Straße zu unterdrücken. Führende Akteure solcher Bewegungen müssen künftig mit besonders drakonischen Gefängnisstrafen rechnen. Stephen Miller, Trumps stellvertretender Stabschef und Architekt der Maßnahme, bezeichnete NSPM-7 als »historische Initiative« im Kampf gegen »linken Terrorismus«.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Joachim Seider aus Limassol (14. Oktober 2025 um 08:29 Uhr)Was ist das anderes als der blanke Faschismus? Trump schickt inzwischen, an allen früheren Regelungen des bürgerlichen Parlamentarismus vorbei, Knüppelgarden überall dorthin, wo man es wagt, ihm zu widersprechen. Noch tragen die Schlägertrupps höchst offizielle Bezeichnungen wie Nationalgarde und Army. Wenn die sich wegen eines Restbestands an demokratischen Gefühlen einst weigern sollten, ihren Befehlen nachzukommen, wird es auch die Stürmer geben, wie sie sich vor hundert Jahren in Deutschland als Fußtruppen der Nazis formieren ließen. Genügend Radikalisierte gibt es. Nicht nur in den USA. Warnte nicht Brecht: »Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!« Längst kriecht es wieder ans Tageslicht. Schon ist es deutlich sichtbar. Wenn man diesmal die Augen rechtzeitig aufmacht, könnte man es vielleicht noch stoppen.
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