»Ein Konzert ist ein Akt der Kommunikation«
Interview: Carmela Negrete
Señor Ávila, als Liedermacher touren Sie zur Zeit mit Shakira Torna durch Europa. Stellt man Ihnen oft Fragen zur Politik, weil Sie Kubaner sind?
Tony Ávila: Ja, manchmal werden wir mit vielen Fragen konfrontiert. Weil wir aus Kuba kommen, gibt es immer den Wunsch – manchmal nicht so wohlwollend – politische Aussagen zu bekommen. Aber eigentlich interessiert uns nur, über Musik zu sprechen, über das, was wir machen. Wir sind auf einer Musiktournee und möchten, dass sich die Gespräche darum drehen.
Señora Torna, ist es in Kuba üblich, als Frau Perkussionistin zu sein?
ST: In Kuba gibt es viele Perkussionistinnen, und zwar sehr gute. Kuba ist ein sehr musikalisches Land, wo man, wie man so schön sagt, nur mit dem Fuß aufstampfen muss und schon taucht ein guter Musiker auf.
TA: Es stimmt zwar, dass es vor einiger Zeit wegen des Machismus schwierig war, eine Frau zu sehen, die Rumba oder Folklore spielte. Mit der Zeit gab es mehr Möglichkeiten für Frauen. Derzeit gibt es in Kuba mehrere bedeutende Frauen im Bereich Perkussion. Shakira ist eine von ihnen, auch wenn sie das selbst nicht so sieht. In Kuba gibt es immer noch die sexistische Einstellung, dass Schlagzeug eine Männerdomäne ist. Wenn eine Frau gut spielt, sagt man ihr zum Lob: »Du spielst wie ein Mann.« Das wird als etwas Positives verstanden, aber in Wirklichkeit wird die Frau damit herabgewürdigt.
Was für eine Ausbildung haben Sie gemacht?
ST: Ich bin Kunstlehrerin – ein Beruf, den Fidel Castro geschaffen hat. Ich habe meinen Abschluss als Perkussionistin gemacht, konnte aber nicht im Beruf arbeiten, weil ich als Lehrerin tätig sein musste. Nach einer Weile habe ich meine Zulassung erhalten und bin seit 2013 professionelle Künstlerin.
Und wie war das bei Ihnen, Señor Ávila?
TA: Ich hatte Kunstunterricht in der Schule, aber meine formale Ausbildung war in marxistisch-leninistischer Philosophie und Geschichte. Ich habe dann als Lehrer gearbeitet, bis ich in den 90er Jahren einen neuen Weg eingeschlagen habe. 1995/96 ermutigten mich einige befreundete Musiker: »Lass uns Musik machen.« Ich komponiere bereits seit meinem 15. Lebensjahr, nahm das aber nicht ernst. Mit meinen Freunden begann ich, mich mehr dafür zu engagieren, und 1998 beschloss ich, mich professionell darauf einzulassen.
Haben Sie nie daran gedacht, zur Theorie zurückzukehren, jetzt, wo es weniger Tourismus gibt?
TA: Nein, denn selbst als es noch viel Tourismus gab, habe ich aufgehört, in Hotels zu spielen. Ich wollte, dass meine Musik auf der Straße und außerhalb Kubas gehört wird.
Und Sie haben nie daran gedacht, im Ausland zu bleiben?
TA: Nein, wir sind immer zurückgekehrt. In Kuba ist es gut, trotz der Schwierigkeiten.
ST: Durch seine Musik vermittelt Tony das, was er gelernt hat. Er kommuniziert wie ein Lehrer, und das merkt man auf der Bühne.
TÁ: Für mich ist ein Konzert ein Akt der Kommunikation. Mein Werk hat eine soziale Bedeutung, meine Lieder regen zum Nachdenken an und berühren die Zuhörer. Ich habe mich trotz allem entschieden, in meinem Land zu bleiben.
Wie kommen die Kubaner an Musik? Ist das nicht schwierig wegen des Embargos?
TÁ: In Kuba lebt die Musik auf der Straße. Die Menschen tragen sie in sich. Es stimmt, dass weniger physische Tonträger produziert werden, aber die Plattenfirmen haben nach Alternativen gesucht: kleine Auflagen, lokale Produktion, USB-Sticks, CDs und DVDs sowie Internetplattformen.
Welche Einflüsse haben Ihr Werk geprägt?
TÁ: Silvio Rodríguez ist ein wichtiger Einfluss. Andere Künstler sind unter anderem Pablo Milanés und das Orquesta Revé. Und aus dem Ausland: Bob Marley, dominikanische und puerto-ricanische Musik, alles, was in den 70er und 80er Jahren nach Kuba kam.
Wie verläuft die Tournee? Was für Musik erwartet die Leute?
ST: Wir waren in der Schweiz und in Belgien. Jetzt geben wir drei Konzerte in Berlin. Danach kehren wir nach Brüssel zurück und beenden die Tournee in Finnland. Im November geht es dann nach Kuba zurück.
TA: Das Repertoire ist vielfältig: von Funk, Balladen, Trova bis hin zu Liebes- und Trennungsliedern. Die Leute sind überrascht, weil sie tanzbare Salsa erwarten, aber wir sind keine Salsa-Band – obwohl natürlich einige Songs das Publikum zum Tanzen bringen.
Der kubanische Liedermacher Tony Ávila (r.) und die Perkussionistin Shakira Torna sind am 7. Oktober zu Gast in der jW-Ladengalerie
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