Überaus malerisch: Japanisch
Von Marc Hieronimus
Die Tochter lernt Japanisch und lässt den Vater ein wenig von den kandierten Kirschen der Sprache kosten. Wenn man zum Beispiel isst, ohne recht hungrig zu sein, nennt sich das Kuchisabishii, das ist »einsamer Mund«. Sehr poetisch! Wer is(s)t schon gern allein? Wenn es schon niemanden zum Reden gibt, soll wenigstens der Mund nicht leiden. Von Postkarten und aus dem echten Leben kennt man Age-otori: Nach einem Haarschnitt schlechter aussehen als vorher. Auf höherer Ebene hat auch Wabi-sabi mit Aussehen zu tun. Das ist die Fähigkeit, Schönheit in der Unvollkommenheit des Lebens zu finden. Und nicht mit dieser scharfen grünen Paste zu verwechseln (Wasabi da nur bestellt?).
Im Land der blauen Ampeln und lächelnden Kirschblüten ist auch die Lautmalerei malerischer, geradezu onomatopoetisch. Wai wai ist das Geräusch, das Kinder beim Spielen machen. Doki doki ist das Lautbild für Herzklopfen. Das deutsche »Schmatz!« beim Essen ist poku poku. Auch lautloses Geschehen hat dort oft einen Ausdruck. Mit iso iso wird eine lebhafte Bewegung beschrieben. Wer mit dem Kopf gerade in Gedanken oder mit diesen woanders ist, macht uka uka. Unbehagen ist odo odo, guu guu zeigt an, dass man tief schläft, Glitzern und Funkeln ist pika pika. Muss man drauf kommen, das denkt man sich nicht aus.
Einigermaßen erkennbar sind Anglizismen wie z. B. Kurisumasukeki. Wenn man es hört oder genau hinschaut, erkennt man den Christmas Cake. Aber warum das Wort für noch unverheiratete Fünfundzwanzigjährige steht, ist schon komplexer: »So wie keiner mehr ab dem 25. Dezember einen Weihnachtskuchen haben will, so gilt eine Frau über 25 als schwer an den Mann zu bringen«, heißt es im schönen Japan-Blog Kimono-Chroniken, dem die meisten der obigen Beispiele entstammen. Wie in Norddeutschland, wo die vierteljahrhundertjährige Jungfer einen Schachtelkranz bekommt, ist dieser Brauch allerdings im Verschwinden begriffen. Das ist nur mit pachi pachi zu begrüßen.
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