Ölkonzern entdeckt Windkraft
Von Bernard Schmid
Ausgerechnet Total Energies soll Frankreichs größtes Windkraftprojekt leiten. Der Energiekonzern, der aus ELF Aquitaine und später Total hervorgegangen ist, ist bekannt für umweltschädliche und neokoloniale Öl- und Gasförderprojekte wie derzeit in Uganda und Tansania. Wie das französische Wirtschaftsministerium erstmals am 24. September offiziell bestätigt hat, soll Total Energies zusammen mit dem deutschen RWE-Konzern den künftigen Windpark »Centre Manche 2« 40 Kilometer entfernt von der normannischen Ärmelkanalküste bei Ouistreham errichten. Das Projekt soll 1,5 Milliarden Gigawatt Strom produzieren und eine Million Haushalte versorgen. Die beiden Anbieter waren kurz vor dem Sturz der Regierung von François Bayrou am 8. September ausgewählt worden.
Was wie ein Widerspruch in der Konzernpolitik von Total Energies klingt, ist keiner. Dessen Geschäftsmodell umfasst beide Aspekte: Die Projekte im Erdöl- und Erdgassektor sollen auch weiterhin zu maximaler Rentabilität getrieben werden, bevor diese Technologie irgendwann auch offiziell der Vergangenheit angehört. Gleichzeitig gilt es, Profite einzustreichen, die sich auf anderen Feldern der Energiepolitik ergeben können. Außerdem geht es darum, keine Konkurrenten auf dem Sektor der Energieversorgung insgesamt aufkommen zu lassen. Dabei läuft das Geschäft mit Energie aus erneuerbaren Ressourcen in Frankreich bei weitem nicht so gut, wie es der Fall sein könnte. Vor allem, weil sich der Staat bei der Mitfinanzierung noch zurückhält.
Gleichzeitig mit der Bekanntgabe des Projekts von Total Energies und RWE wurde bekannt, dass eine Ausschreibung für ein Windkraftprojekt in der Nähe der westfranzösischen Insel Oléron offiziell als »unfruchtbar« für beendet erklärt wurde. Am 24. September stellte das Finanzministerium das Projekt in der bisher vorgesehenen Form daraufhin ein. Es sollte bis 2030 die Errichtung von insgesamt 35 bis 70 Windrädern mit einer Gesamtleistung von 0,5 bis einem Gigawatt umfassen. Eventuell sollte noch ein zweiter Windpark mit einem Gigawatt Leistung hinzukommen. Die Gesamtkosten waren auf 1,5 bis drei Milliarden Euro veranschlagt.
Doch der französische Staat stellte dabei Anforderungen an die Wirtschaftlichkeit des Projekts – um es nicht subventionieren zu müssen –, die auch aufgrund der technischen Besonderheiten nicht einhaltbar schienen. Die Megawattstunde Strom sollte für Kosten von maximal 100 Euro erzeugt werden. Allerdings hätte es sich um Plattformen mit der bisher größten Meerestiefe, 70 Meter ab Sockel, 40 Kilometer entfernt von der Küste, gehandelt. Mehrere Unternehmen, die dafür hätten gewonnen werden sollen, darunter wiederum Total Energies sowie RWE, aber auch Skyborn-Cobra, Iberdrola, Qair und das Konsortium Ocean Winds, sagten deshalb in Hinblick auf die eigenen Profiterwartungen jegliche Beteiligung ab.
Frankreichs »Sonnen- und Windenergiesektor am Rande des Nervenzusammenbruchs«, übertitelte Les Echos vergangenen Freitag einen Artikel zu dem Thema. Darin geht es um die Vorbereitung des »mehrjährigen Programmgesetzes zur Energiepolitik«, zu dem kurz zuvor Einzelheiten ruchbar wurden. Demnach will die neue, noch nicht vollständig gebildete Regierung von Sébastien Lecornu alle Subventionen für Energie aus erneuerbaren Quellen so weit wie möglich herunterfahren. Das ist auch eine Antwort auf Forderungen von Rechten aller politischen Couleur. Darunter sind der Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen, der im Namen nationaler Stärke allein auf Atomkraft schwört, wie auch die konservative Partei Les Républicains (LR) unter dem Vorsitz des amtierenden Innenministers Bruno Retailleau, die ein »Moratorium«, also ein Einfrieren aller Projekte bei »Alternativenergien«, fordert. Jedoch keinesfalls bei Atomkraft.
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