Fehlstart für Gewerkschaften
Von Dieter Reinisch, Wien
Die Herbstlohnrunde in Österreich läuft erst an, steht jedoch bereits unter keinen guten Vorzeichen. Von Beginn an zeigen sich die Gewerkschaften in den diesjährigen Gehaltsverhandlungen weit in der Defensive. Gerhard Tauchner, Vorsitzender im Fachbereich Eisenbahn der Transport- und Dienstleistungsgewerkschaft Vida zeigte sich in der Zentrale des Österreichischen Gewerkschaftsbunds am Donnerstag noch immer »ziemlich entsetzt, was am Montag passierte«. »Wir können uns Lohnzurückhaltung nicht leisten« stand eigentlich über der von Vida im zweiten Wiener Gemeindebezirk ausgerichteten Pressekonferenz. Mit den Metallerverhandlungen hatten am Montag auch jene der Eisenbahner begonnen.
Am Montag waren die beiden Gewerkschaften Pro-Ge und GPA in der ersten Verhandlungsrunde der Metaller nach wenigen Stunden aufgestanden und hatten ein Angebot akzeptiert, das unter der Hälfte der rollierenden Inflation liegt. Die Unternehmerseite feiert: »Ein sehr begrüßenswertes Signal der Vernunft«, erklärte der Präsident der Industriellenvereinigung Wien, Christian C. Pochtler, dann am Mittwoch. »Diese Weitsicht – Stichwort moderate Abschlüsse – brauche es nun auch in anderen Branchen«, zitierte die Wirtschaftskammer Österreich ihren Steiermarkpräses Josef Herk.
Die Chefs von Proge und GPA, Reinhold Binder und Barbara Treiber, beide auch sozialdemokratische Parlamentarier, üben sich in Schadensbegrenzung: »Der Krisenabschluss in der Metallindustrie war ein Branchenspezifikum. Wir werden wie bisher in jedem Wirtschaftsbereich die ökonomische Lage bewerten«, schrieb Treiber in einer Presseaussendung am Mittwoch. Doch die Kapitalseite scheint vom niedrigen Metallerabschluss beflügelt und sieht ihre Chance, die Löhne branchenübergreifend zu drücken. Die anderen Gewerkschaften spüren den Druck.
Vida vertritt in Österreich auch die Beschäftigten im Handels- und Tourismussektor. Die Eisenbahner fordern, genauso wie die anderen Vida-Verhandlungsteams, einen Inflationsausgleich. Ein halbes Jahr zuvor habe es bereits Verhandlungen für einen neuen Kollektivvertrag gegeben. Es sei der Versuch gewesen, diesen »attraktiver zu gestalten«, so Tauchner: »Wir waren auf gutem Weg, doch dann kam der Abschluss mit der Metallbranche rein«, und die Unternehmerseite hätte ihre Angebote zurückgezogen: »Wir müssen zurück zum Start«, wurde uns gesagt. Der Vida-Vorsitzende Roman Hebenstreit bestätigte den Eindruck. Es sei am Montag zu einer »plötzlichen Wende« gekommen. Die Unternehmerseite hätte einen »kurzfristigen Vorteil erkannt«. Die Punkte »Vernunft, Fairness und Gerechtigkeit« seien jetzt nicht mehr erfüllt.
Der plötzliche Rückzug sei Tauchner zufolge »knapp vor einem zufriedenstellenden Abschluss« gekommen. Um »weiterverhandeln zu können«, verlangt Vida zum nächsten Verhandlungstermin am 1. Oktober nun ein verbessertes Angebot. Im November beginnen zudem die Verhandlungen im Handel. Christine Heitzinger vom Fachbereich Dienstleistungen hofft, dieses Jahr einen Inflationsabgleich für die 150.000 Beschäftigten zu bekommen. Auch Hebenstreit möchte, mit Verweis auf die »explodierende Preissituation«, dass »zumindest der Geldverfall« ausgeglichen wird. Mit den Septemberdaten würde die rollierende Inflation auf drei Prozent klettern. Die Binnennachfrage und den Binnenmarkt zu stärken, sei jetzt notwendig, so Hebenstreit, »doch dazu müssen die Löhne gestärkt werden«.
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