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Aus: Ausgabe vom 26.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Handelskrieg

Streicheleinheiten aus Washington

US-Handelsministerium goutiert EU-Gesetzgebung, die niedrigste Importzölle für US-Industrieprodukte ermöglichen soll
Von Jörg Kronauer
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Die BRD könnte aufgrund der neuen Welthandelslage demnächst zum Autoimportland werden

Glück im Unglück für die deutsche Autoindustrie: Die Senkung der US-Zölle auf die Einfuhr von Fahrzeugen aus der EU von 25 auf 15 Prozent, auf die sich die EU-Kommission und die Trump-Administration in ihrem Handelsdeal geeinigt hatten, wird rückwirkend ab dem 1. August in Kraft gesetzt. Dies teilte das US-Handelsministerium am Mittwoch (Ortszeit) mit. Man habe festgestellt, dass die EU wie verabredet die Gesetzesentwürfe für die Reduzierung der Zölle auf Importe aus den USA auf null auf den Weg gebracht habe, erläuterte das US-Ministerium.

Insofern stehe der Senkung der eigenen Zölle auf europäische Pkw nichts mehr im Weg. Für die deutsche Kfz-Branche ist dies immer noch eine deutliche Verschlechterung im Vergleich zu den einst geltenden US-Zöllen in Höhe von 2,5 Prozent, aber doch eine gewisse Erleichterung gegenüber den jüngsten 25 Prozent. Die Aktienkurse der deutschen Autokonzerne legten entsprechend zu. Am meisten stiegen sie bei Porsche – plus 2,2 Prozent –, dem Hersteller, der bislang überhaupt nicht in den USA produziert und dort komplett auf Importe aus Europa angewiesen ist.

Bislang. Denn es ist unklar, wie es mit der deutschen Kfz-Industrie weitergeht, die zuletzt rund 14 Prozent ihrer Exporte in die USA verkaufte. Wenn diese mit 15 Prozent verzollt werden müssen – wäre es dann nicht günstiger, in den Vereinigten Staaten zu produzieren und von dort aus zollfrei in die EU zu exportieren? Mit den SUV, auf die die USA schon lange höhere Zölle erheben, ist es so gekommen; der BMW X3 etwa, den Bundeskanzler Friedrich Merz fährt, wurde im BMW-Werk in Spartanburg, im US-Bundesstaat South Carolina, hergestellt.

Für den Standort Deutschland wäre das fatal. Das wiederum bietet der Autobranche die Chance, neue Forderungen zu erheben. »Der Konflikt um Zölle mit den USA hat deutlich gemacht, wie wichtig eine starke europäische Wirtschaftskraft ist«, ließ sich die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Hildegard Müller, am Donnerstag zitieren. Diese jedoch gebe es nur, wenn die EU »die Bedingungen für Unternehmen und Investoren« so gestalte, »dass Europa im globalen Wettbewerb wieder attraktiver wird«. Das war ein Steilpass für die Konzerne, ihre »Bedingungen« neu zu konkretisieren.

Konkretisieren lassen sich schon jetzt die Nachteile und die Einbußen, die der Handelsdeal der EU-Kommission mit der Trump-Administration der Industrie Deutschlands sowie der EU einbrockt. Am Donnerstag legte die Österreichische Nationalbank Berechnungen vor, nach denen das Wirtschaftswachstum in der Euro-Zone aufgrund der US-Zölle um 0,25 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird. Weitere Einbußen von 0,25 Prozentpunkten kommen, da der globale Handel eng verflochten ist, aufgrund der US-Zölle auf die Einfuhr aus anderen Ländern hinzu.

Darüber hinaus wird die Abhängigkeit der EU von den USA zunehmen, falls sie wirklich – wie im Handelsdeal zugesagt – bis 2028 Energieträger, inbesondere Flüssigerdgas, im Wert von 750 Milliarden US-Dollar in den USA einkauft und 600 Milliarden US-Dollar dort investiert. Beides freilich sind, weil private Unternehmen Käufe und Investitionen tätigen müssten, nur Absichtserklärungen, zu deren Umsetzung niemand so recht gezwungen werden kann. China hat es vorgemacht und, als es in Trumps erster Amtszeit derlei Absichtserklärungen abgeben musste, deren Realisierung ziemlich locker gehandhabt.

Glimpflich kommen in dem Handelsabkommen vor allem Teile der französischen Industrie davon: Flugzeugteile, die vor allem in Frankreich produziert werden, sind von den US-Zöllen ausgenommen. Besonders gravierend ist hingegen, dass Washington die 50-Prozent-Zölle auf die Einfuhr von Aluminium und Stahl freihändig auf zahlreiche weiterverarbeitete Alu- und Stahlprodukte ausgeweitet hat, die nun ebenfalls mit 50 Prozent verzollt werden müssen.

Das trifft besonders stark die deutsche Industrie, die laut Berechnung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln nun Exporte im Wert von 14,4 Milliarden US-Dollar mit einem Aufschlag von der Hälfte ihres Werts in den Vereinigten Staaten losschlagen muss; das sind 8,8 Prozent der gesamten deutschen Ausfuhren in die USA. Mit Abstand am härtesten trifft es den Maschinenbau, der nun 27 Prozent seiner Exporte in die Vereinigten Staaten mit 50 Prozent verzollen muss. Nur ein kleiner Teil der betroffenen Waren – mutmaßlich etwa einige Spezialstahle – sind Nischenprodukte, auf die die US-Industrie nicht verzichten kann; dafür wird letztlich sie bzw. die US-Konsumenten die Zollzeche zahlen.

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