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Aus: Ausgabe vom 24.09.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Österreichische Metaller

Weit unter Inflationsrate

Tarifverhandlungen für österreichische Metaller schnell beendet. Mit Realohnverlust für Arbeiter
Von Dieter Reinisch
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Ob es ein heißer Herbst im Arbeitskampf wird, wird sich zeigen

In Österreich hat die Herbstlohnrunde begonnen. Während die meisten Gewerkschaften noch sondieren, sind die Verhandlungen in der Metallbranche bereits zu Ende: Nach gerade einmal vier Stunden Gespräch setzten die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) und die Metallergewerkschaft Pro-Ge zu einem bisher kaum beobachteten Kniefall vor der Industriellenvereinigung an.

Die Einigung auf einen neuen Kollektivvertrag für die rund 200.000 Beschäftigten bringt ab 1. November 2025 einen Anstieg der Mindestentgelte um zwei Prozent. Die Ist-Löhne, die höher als die Mindestentgelte und für die Metaller relevanter sind, werden um 1,41 Prozent angehoben. Ab dem 1. November 2026 steigen die Ist-Löhne um 1,9 Prozent und die kollektivvertraglichen Mindestentgelte um 2,1 Prozent. Dazu gibt es steuerbefreite Einmalzahlungen von 500 Euro im November und abermals 500 Euro im kommenden Jahr.

Das Ergebnis liegt weit unter der rollierenden Inflationsrate von 2,8 Prozent über die vergangenen zwölf Monate hinweg. Prognosen gehen von keinem bedeutenden Rückgang der Inflation im kommenden Jahr aus. Die Österreichische Nationalbank glaubt sogar, eine Erhöhung auf drei Prozent sei möglich, die Bank Erste Group stellte Daten vor, die bis zu vier Prozent wahrscheinlich machen könnten.

Der Abschluss vom Montag bedeutet daher einen deutlichen Reallohnverlust. Abschlüsse über zwei Jahre weit unter der Inflationsrate und Einmalzahlungen lehnte die Gewerkschaftsseite in der Vergangenheit kategorisch ab. Für zusätzliche Überraschung sorgte auch die Ankündigung, dass nicht nachverhandelt werde, selbst wenn die Inflation stärker steigen würde als erwartet.

»Krisenabschluss auf Zeit«, nennt dies Pro-Ge-Chefverhandler Reinhold Binder: »Sicherheit für die Beschäftigten und die Betriebe« habe der rasche Abschluss garantiert. Immer wieder wurde am Montag abend auf die längste Rezession seit 1945 hingewiesen. Die Gewerkschaftsseite versucht, den schlechten Abschluss damit zu verteidigen, dass sie eine Nulllohnrunde verhindert hätte: »Mit dem Krisenabschluss für zwei Jahre konnten wir Nulllohnrunden verhindern und die Kaufkraft der Beschäftigten sichern. Wir haben angesichts der dramatischen Situation gemeinsam mit unseren Sozialpartnern Verantwortung übernommen«, schrieben die beiden Chefverhandler Binder und Mario Ferrari (GPA) in einer Presseaussendung. Planbarkeit und Sicherheit für Beschäftigte sowie Betriebe seien »jetzt das Wichtigste, um Vertrauen für die Zukunft zu schaffen«, hieß es weiter.

Doch von einer Nulllohnrunde war vor den Verhandlungen nichts zu vernehmen. Noch am Montag morgen erklärte der Chefverhandler auf Industriellenseite, Christian Knill, dass es von seiner Seite keine Forderung nach einer Nulllohnrunde geben werde. Kurz nach 13 Uhr und nach einem »Wirtschaftsgespräch« mit allen sechs Fachverbänden der Metallindustrie trat die Gewerkschaftsspitze vor die Medien: »Es gibt klare Positionen, aber auch gemeinsame klare Sichtweisen.« Die Gewerkschaft werde von seiten der Industrie »nicht mit einer Nulllohnrunde konfrontiert«, betonte Binder. Entsprechend zufrieden zeigte sich Knill vom Ergebnis: »Unser Standort ist zu teuer. Diese Entwicklung kann mit dem Abschluss gestoppt werden.« Die Metallerlohnrunde gilt als Vorreiter für die anderen Branchen, die in den kommenden Wochen verhandeln. Für die Eisenbahner begannen am Montag Verhandlungen. Sie fordern vollen Inflationsausgleich. In der ersten Runde für die 55.000 Beschäftigten gab es keine Einigung.

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