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Aus: Ausgabe vom 26.09.2025, Seite 11 / Feuilleton
Pop

Die Eleganz der Distanz

Dandy aus dem Underground: Bryan Ferry wird 80
Von Alexander Kasbohm
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Schweben und schweben lassen: Bryan Ferry

Die Tatsache, dass Bryan Ferry bereits seinen 80. Geburtstag feiert, ist verstörend, aber weit weniger verstörend als die zunehmend höheren Geburtstage vieler anderer. Ferry war ja immer eine Figur, die aus den Bohemesalons der 1920er zu stammen schien, Teil der Jet-Set-Partys der frühen 1980er, die man aber eben nie mit jugendlich konnotiertem Rock ’n’ Roll identifizierte. Selbst zu Beginn seiner Karriere – bei der Veröffentlichung des ersten Albums seiner Band Roxy Music 1972 war Ferry 27 Jahre alt – war er eher ein paradiesvogelartiger Alien, eine Synthese aus Teddy Boy und Schnulzen-Crooner, ein eklektischer Zeitreisender.

Die Persona, die wir heute als »Bryan Ferry« in unseren Köpfen haben, entstand nach und nach in den 1970ern über diverse Soloalben, auf denen er gerne Lounge- und Music-Hall-Klassiker des frühen 20. Jahrhunderts coverte, derweil er parallel Roxy Music von der fröhlichen De- und Rekonstruktion, von der lustvollen Anarchie des Art-Undergrounds, zu einer distanzierten Eleganz manövrierte. Die Entwicklung war mit »Avalon«, dem letzten Album der Band von 1982, abgeschlossen, Ferry spätestens jetzt der weltgewandte, stilsichere Dandy im schwarzen Anzug, der mit der ihm eigenen Gelassenheit über dem Tagesgeschehen stand. Und zum Blueprint für die aufkommende New-Romantic-Szene und angrenzende Bereiche wurde – von Japan über Duran Duran und Spandau Ballet bis zu ABC und Talk Talk.

Ferry ist ein Aristokrat aus nordenglischem Arbeiterhaushalt. Er hat in London unter anderem bei der Pop-Art-Ikone Richard Hamilton Kunst studiert. Schon vor seiner musikalischen Karriere wurden einige seiner Gemälde in der Tate Gallery ausgestellt. Ferrys Blick auf die Musik blieb immer eher der eines bildenden Künstlers: weil er das Gesamtkunstwerk inklusive Covergestaltung im Blick behält, vor allem aber merkt man es daran, wie er komponiert. Denn »Komponieren« ist in seinem Fall eher die Kreation eines Klangbilds als das Songwriting. Letzteres ist nicht sonderlich abwechslungsreich. Im Grunde genommen hat er einen langsamen Song und einen Mid-Tempo-Song. Die beiden variiert er recht gekonnt. Die wirkliche Arbeit besteht dann darin, so lange an klanglichen Details zu feilen, bis das Ergebnis exakt seinen Vorstellungen entspricht.

Das Desinteresse an Tagespolitik ist integraler Bestandteil seiner Erscheinung. Wenn Ferry sich mal politisch geäußert hat, war das meist bedauerlich, aber folgerichtig. So sprach er sich gegen das Verbot der Fuchsjagd aus und gab zu Protokoll, David Cameron persönlich zu schätzen. Camerons Politik war ihm vermutlich gleichgültig. Die Kunst der öffentlichen Figur Bryan Ferry besteht darin, nicht einmal dann unsympathisch zu wirken, wenn sie totalen Blödsinn redet. Er bezeichnet sich als »vom Temperament her konservativ« (»conservative by nature«), was weniger politisch gemeint ist, eher geht es hier ums Naturell. In dieser Hinsicht ist er ebenso wertkonservativ geprägt wie von einem anarchischen Freiheitsbegriff, den er mit vielen Künstlern seiner Generation teilt. Ferry tut sich schwer mit Veränderungen, wenn sie außerhalb der Kunst stattfinden, möchte von der Welt am liebsten in Ruhe gelassen werden. Eine nicht unbedingt vorbildtaugliche Einstellung, aber nachvollziehbar. Und sie passt gut zur Weltabgewandtheit und dem Ennui, die der langen Spätphase von Ferrys Schaffen zugrunde liegen.

Das Phänomen »Bryan Ferry« erschließt sich gut über seine Interviews, am besten über die, bei denen man ihn sieht. Ähnlich wie David Bowie strahlt er eine zugängliche Offenheit aus, einen sehr englischen Charme, freundlich zugewandt und distanziert zugleich. Die aristokratische Lässigkeit, die Ferry mit jeder Bewegung, jedem Satz ausstrahlt, kann man nicht lernen, bestenfalls kann man sie sich per kultureller Osmose aneignen, wenn man die Prädisposition dafür hat. Versucht man, sie zu erlernen, spürt die Welt die Absicht und ist verstimmt. Der Schlüssel ist Mühelosigkeit. Und diese Mühelosigkeit kommuniziert Ferry in seiner Körperhaltung, seiner Mimik, dem Blick, im Tonfall, den Pausen, die er beim Sprechen macht, in der Art, wie er sich bewegt. Ein besonders beeindruckendes Beispiel war die Folge »Durch die Nacht mit Bryan Ferry und Dieter Meier«-Folge bei Arte. Da prallten Welten aufeinander, zwei Menschen, die außer dem Interesse an bildender Kunst nichts gemein haben. Meier, die eine Hälfte der Schweizer Dance-Art-Popper Yello, kollidierte mit seiner grellen, oft unsubtilen Art immer wieder mit dem Understatement Ferrys, der diverse unangenehme bis hochnotpeinliche Situationen auf bewundernswerte Weise meisterte, sich mit Haltung aus der Affäre zog.

Während viele Vertreter der »Jugendkultur« irgendwann erschreckt feststellen müssen, dass sie nicht länger Teil der Jugend sind, hat Ferry das Glück, nie wirklich jung gewesen zu sein. Ums Älterwerden musste er sich in dieser Hinsicht nie sorgen. Die 80 steht ihm ausgezeichnet.

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