Dackelaugen der Rache
Von Marc Hairapetian
Die US-Filmindustrie ist in der Hand Hollywoods. Okay, nicht ganz: Troma Entertainment, die 1974 von Lloyd Kaufman und Michael Herz gegründete Independent-Produktionsfirma aus New York City, leistet Widerstand, mit allerlei tapferen Werken zur Aufrechterhaltung des guten alten schlechten Geschmacks. Mit »Bloodsucking Freaks« (1976), »Muttertag« (1980) und »Surf Nazis Must Die« (1986) gingen die New Yorker in die B- und C-Movie-Geschichte ein. Tromas subversivster Erfolg war vermutlich »The Toxic Avenger« (1984), eine gnadenlose Satire auf den Körperkult und stumpfsinnigen Alltag in den USA der 1980er. Bis heute erfreut sich der Low-Budget-Splatter-Spaß samt Fortsetzungen, Videospiel- und Comicadaptionen einer treuen Fangemeinde.
Beste Voraussetzungen für ein Reboot, dachte sich Regisseur Macon Blair. Leider setzt seine Version von »The Toxic Avenger« zwar auf handgemachte Masken und Effekte, aber eben auch auf lieblose CGI-Trickserei. Gemeinsam mit Joe Ritter Lloyd Kaufman, dem Regisseur des Originals, hat Blair das Drehbuch verfasst, die Geschichte ist freilich eine andere: Der kleinwüchsige Putzmann Winston (Peter Dinklage) kümmert sich seit dem Tod seiner Frau brav um Stiefsohn Wade (Jacob Tremblay). Doch die toxischen Abfälle am Arbeitsplatz in der Chemiefabrik des örtlichen Großindustriellen Bob Garbiger (Kevin Bacon) lassen ihn an Krebs erkranken. Die Krankenkasse will die Behandlung lieber nicht bezahlen. Mit dem Mut der Verzweiflung tunkt Winston den Wischmopp in eine radioaktive Substanz – womit man Safes von Arschlochchefs in B-Movies halt so knackt. Er wird entdeckt und von Garbigers Schergen beherzt in ein Becken voller Chemikalien geworfen. Winston stirbt, er mutiert. Geboren ist der Toxic Avenger, gut ausgestattet mit übermenschlichen Kräften und unterwegs im Dienst anderer Entrechteter.
Während in der 84er Version Toxie (Mitch Cohen) vor seiner Umwandlung ein notgeiler Nerd (Mark Torgl) war, ist Peter Dinklage von Anfang an Sympathieträger. Er spielt die Rolle des Mannes, dem die Probleme über den Kopf wachsen, mit traurigen Dackelaugen und heiligem Ernst, während um ihn herum die Welt im Trash versinkt. Später leiht er dem giftigen Ökoracheengel noch seine Stimme, wenn für ihn Luisa Guerreiro in das auf liebevolle Weise hässlich gestaltete grüne Monsterkostüm schlüpft. Als herrlich überdrehter Bösewicht stiehlt ihm allerdings Kevin Bacon die Show. Die komplexeste Rolle hat Elijah Wood, der den sinistereren Bruder mit moralischem Ehrenkodex gibt. Auch wenn bei Toxies Rachefeldzug gegen Garbiger, Trump und Co. das Blut nur so spritzt und Gedärme aus dem Allerwertesten quellen, zeigt die Neuverfilmung viel Herz. Eine Art Schulterschluss mit Hollywood. Schöne neue Welt.
»The Toxic Avenger«, Regie: Macon Blair, USA 2025, 103 Min., bereits angelaufen
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