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Aus: Ausgabe vom 25.09.2025, Seite 6 / Ausland
Sahelallianz

Gemeinsam für den Wiederaufbau

Burkina Faso mobilisiert gegen Terror und stellt dabei den wirtschaftlichen Wiederaufbau ins Zentrum
Von Georges Hallermayer
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Motorroller und -räder sind in Burkina Faso bereits ein Luxus (Ouagadougou, 28.7.2025)

Zwei Jahre liegt die Gründung der Allianz der Sahelstaaten (AES) zurück. Die drei Mitgliedstaaten Burkina Faso, Mali und Niger verfolgen einen unabhängigen Kurs und scheuen nicht die Konfrontation, insbesondere nicht mit der alten Kolonialmacht Frankreich. Gleichzeitig sehen sie sich mit großen Schwierigkeiten konfrontiert – allen voran der Bedrohung durch Dschihadisten. Während Medien wie zuletzt auch die Zeitschrift Le Monde diplomatique den Eindruck vermitteln, als würden die vom Militär dominierten AES-Regierungen angesichts des Drucks von Al-Qaida- und anderen Gruppen kurz vor dem Zusammenbruch stehen, hat vor allem Burkina Faso effektive Schritte unternommen, um die Bevölkerung gegen die Gefahr zu mobilisieren.

Lokale Freiwilligenverbände wurden aufgestellt, die in Koordination mit den regulären »Schnellen Eingreiftruppen« die Gemeinden schützen sollen. Schon vergangenes Jahr konnten dank der neuen Taktik »Motorräder statt Panzer« große Teile des Landes von den ebenfalls häufig mit Zweirädern operierenden Extremisten »zurückerobert« werden, wie der Generalinspekteur der Nationalpolizei, Thierry Dofizouho Tuina, vergangene Woche vom Portal Burkina 24 zitiert wurde. Zugleich wurde die regionale Kooperation verstärkt. So hat das Nachbarland Ghana gegenwärtig einen militärischen Sonderbeauftragten nach Ouagadougou entsandt, um die 2017 gegen »grenzüberschreitenden Terror« gestartete Accra-Initiative wiederzubeleben.

Um die Menschen im Widerstand zu vereinen, ist aber der wirtschaftliche Wiederaufbau des durch Neokolonialismus und Neoliberalismus zerrütteten Landes entscheidend. Ihn geht die Übergangsregierung unter Präsident Ibrahim Traoré systematisch an. Im August hat er sechs große sozioökonomische Projektfelder präsentiert: Transport, Infrastruktur und Wohnen, ländliche Entwicklung und Tierzucht, Wasser und Umwelt, Bergwerke und Steinbrüche, Energie. Zugleich sollen sechs präsidiale Initiativen beschleunigt umgesetzt werden: in den Bereichen Sport, Bildung, Gesundheit, landwirtschaftliche Selbstversorgung, Entwicklung der Gemeinden sowie »Faso Mêbo«.

Dieses erstmals vergangenen Oktober vorgestellte, an revolutionäre Vorbilder auch aus der Zeit des mit französischer Unterstützung gestürzten und ermordeten Staatschefs Thomas Sankara erinnernde Programm gilt es hervorzuheben. »Faso Mêbo« bedeutet »Freiwillig für uns alle« und hat zwei Hauptziele: »Das erste ist der Bau von Straßeninfrastruktur durch spezielle Brigaden zu geringeren Kosten. Das zweite bezieht sich auf die Stadtentwicklung und -verschönerung sowie Bereitstellung preiswerten Wohnraums, die Sanierung und die Schaffung öffentlicher Grünflächen«, so Premierminister Jean Emmanuel Ouédraogo laut Burkina 24. Im ganzen Land wird zu Hacke und Schaufel gegriffen, Ziegelsteine werden gegossen und Straßen gepflastert. Hunderte Freiwillige, Erwerbslose und Schüler, viele Frauen, sammeln sich an den Treffpunkten von »Faso Mêbo«, verwandeln unter fachlicher Anleitung Burkina Faso in eine einzige Baustelle. Unter anderem werden Dutzende Gesundheitszentren eingerichtet – in einem Land, in dem nach wie vor 38 Prozent der Einwohner weiter als fünf Kilometer von medizinischer Versorgung entfernt leben.

Spendensammlungen unterstützen die Kampagne. Die Tageszeitung Sidwaya meldete Anfang des Monats: Das Personal der Ministerien habe etwa 6.100 Euro gesammelt und Gerätschaften angeschafft. Die Chefs der Regionalverwaltungen, 13 Gouverneure, 45 Provinzsekretäre und 350 Präfekte, haben aus eigener Tasche nochmals das Doppelte aufgebracht und davon mehrere Betonmischer, 1.500 Gussformen für Ziegel und 38 Tonnen Zement gekauft. Der Kampagne schließen sich auch Unternehmen an. So spendete das Energieunternehmen Projet Production Internationale 24 Tonnen Zement, Solarlampen, Arbeitshandschuhe etc. Die Gruppe Cogeb International stellte für die Brigade in der Stadt Kaya laut Sidwaya Baustoffe wie Granit und Sand im Wert von etwa 15.000 Euro bereit. Das mag zunächst bescheiden klingen – aber Burkina Faso ist unverkennbar auf dem Weg.

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