Unterirdischer Bodendienstleister
Von Kristian Stemmler
Beifall kommt auf im Saal. Rund 50 Beschäftigte der Groundstars GmbH, einer 100prozentigen Tochter des mehrheitlich städtischen Hamburger Flughafens, feiern ein Urteil des dortigen Arbeitsgerichts. Das Gericht hat am Dienstag das Unternehmen, das unter anderem für die Gepäckabfertigung zuständig ist, dazu verurteilt, den langjährigen Betriebsrat Ramazan S. wieder in seiner bisherigen Position als Schichtleiter zu beschäftigen. Ein Erfolg auch für die Gewerkschaft Verdi Hamburg, die Klage erhoben hatte, weil sie im Vorgehen gegen S. einen typischen Fall von Union Busting sieht, also eine Behinderung von Gewerkschaftsarbeit.
Vor gut einem Monat hatte die Geschäftsführung von Groundstars Ramazan S. unter Fortzahlung der Bezüge freigestellt. »Ich kam aus dem Urlaub und wurde als erstes zu einem Personalgespräch gerufen«, berichtete der Gewerkschafter am Rande der Verhandlung gegenüber jW. In dem Gespräch sei ihm mitgeteilt worden, er sei freigestellt, weil die Geschäftsführung gegen ihn erhobene Vorwürfe prüfen wolle. »Ich war völlig überrascht«, so S., der seit 2014 für Groundstars arbeitet, seit 2023 als Schichtleiter.
In der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht wiederholte der Anwalt der Geschäftsführung dann die »schweren Vorwürfe« gegen S. So habe er etwa Kollegen eingeschüchtert und genötigt, andere habe er wegen ihrer Herkunft diskriminiert. Es sei die Pflicht der Geschäftsführung gewesen, diesen Vorwürfen nachzugehen, und um ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, habe man S. freigestellt. Mit dessen gewerkschaftlichem Engagement habe das alles nichts zu tun, so der Anwalt.
Das sah der Anwalt des klagenden Betriebsrats, Michael Sommer, ganz anders. »Für uns liegt auf der Hand, dass der Grund für die Freistellung meines Mandanten in seinen Aktivitäten für die Gewerkschaft zu suchen ist«, sagte er gegenüber jW. Auch Lars Stubbe, Gewerkschaftssekretär bei Verdi Hamburg, betonte im Gespräch mit dieser Zeitung, es gehe der Geschäftsführung von Groundstars offenbar darum, »einen aktiven Betriebsrat kaltzustellen«.
Es sei doch auffällig, dass eine Freistellung ohne eine wirklich konkrete Begründung erfolge, so Stubbe. In vielen Betrieben registriere Verdi »eine Zunahme von Maßnahmen, die darauf abzielen, Betriebsräte und Gewerkschafter in ihrer Arbeit einzuschränken«. In einer Pressemitteilung, die Verdi zu dem Verfahren veröffentlichte, wird die Freistellung von S. als »ein Angriff auf die grundgesetzlich geschützte Freiheit der gewerkschaftlichen Betätigung« bezeichnet. »Ramazan ist mit Herz und Seele ein aufrechter Gewerkschafter«, wird André Kretschmar, für den Flughafen zuständiger Fachbereichsleiter von Verdi Hamburg, dort zitiert.
Als Mitglied in der Bundestarifkommission habe S. gemeinsam mit seinen Kollegen dafür gekämpft, »dass Dumpinglöhne bei den Bodenverkehrsdiensten am Hamburger Flughafen heute der Vergangenheit angehören«. Inzwischen hätten sich die Beschäftigten mehrheitlich bei Verdi organisiert. Es sei binnen zehn Jahren gelungen, den Einstiegslohn von rund acht Euro auf heute 17,68 Euro pro Stunde zu erhöhen.
Für das Gericht reichten die vorgebrachten Argumente für die Freistellung nicht aus. »Richtig konkret ist das alles nicht«, erklärte die Vorsitzende Richterin. Eine Freistellung des Betriebsratsmitglieds sei durch die Vorwürfe nicht zu rechtfertigen, und er sei umgehend wieder in seiner bisherigen Position als Leiter der C-Schicht zu beschäftigen.
Die Auseinandersetzung zwischen Verdi und Groundstars ist damit allerdings noch nicht beendet. Bereits kurz nach der Verhandlung fand ein weiteres, bereits zuvor geplantes Personalgespräch der Geschäftsführung mit S. statt. »Unser Kollege ist weiter freigestellt«, erklärte Verdi-Gewerkschaftssekretär Stubbe am Mittwoch gegenüber jW. »Damit unterläuft die Geschäftsführung das Urteil des Arbeitsgerichts.« Verdi werde sich weiterhin mit allen juristischen Mitteln dafür einsetzen, so Stubbe, dass das Urteil umgesetzt und die Freistellung beendet werde.
75 für 75
Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.
links & bündig gegen rechte Bünde
Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.
Ähnliche:
- Volker Hohlfeld/IMAGO01.07.2024
Eurotrade feuert Betriebsrätin
- Arne Dedert/dpa18.03.2022
Lehrstück mit leeren Zetteln
- Arne Dedert/dpa12.12.2017
»Geschäftsmodell besteht aus Ausbeutung«
Regio:
Mehr aus: Inland
-
»Es war ein Kampf, der sich gelohnt hat«
vom 25.09.2025 -
Wortgefechte um Verteilung
vom 25.09.2025 -
Weihrauch gegen Rechtsruck
vom 25.09.2025 -
Kulturlose Jugend
vom 25.09.2025 -
»Die Bündniskonstellation ist einzigartig«
vom 25.09.2025