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Aus: Ausgabe vom 25.09.2025, Seite 4 / Inland
Deutsche Bischofskonferenz

Weihrauch gegen Rechtsruck

Deutsche Bischofskonferenz: Warnung vor Nationalismus. AfD kontert mit Bibelversen
Von Bernhard Krebs
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Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz: Nikola Eterović, Apostolischer Nuntius in Deutschland (l.) und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing (r.) in Fulda (22.9.2025)

Den katholischen Bischöfen in der BRD ist die extreme Rechtsdrift in Gesellschaft und Politik weder verborgen geblieben, noch wollen sie sie hinnehmen: Bereits im Vorfeld der seit Montag in Fulda stattfindenden Herbstvollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), die im Laufe des Donnerstags zu Ende geht, hatte der DBK-Vorsitzende und Bischof von Limburg, Georg Bätzing, Katholiken erneut dazu aufgerufen, nicht die AfD zu wählen. »Die Spalter, dazu gehört die AfD an erster Stelle, dürfen nicht unsere Zukunft und unser gesellschaftliches Klima bestimmen«, lautete Bätzings Aufschlag dpa zufolge.

Der »Return« folgte am Mittwoch vom Vorsitzenden der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt, Hans-Thomas Tillschneider. Der Islamwissenschaftler, der auch stellvertretender Vorsitzender des Landesverbandes seiner Partei ist, sagte: »Wer die klare Trennung zwischen Wahrheit und Irrtum, Licht und Dunkelheit, Rechtleitung und Irreführung als Spaltung kritisiert, ist kein Apostel Jesu Christi, sondern ist vom Teufel geschickt.« Er verwies auf »die Stelle aus dem zweiten Korintherbrief, wo es heißt: Der Satan verstellt sich als Engel des Lichts.«

Tillschneider warf Bätzing vor, mit seinen Äußerungen über die AfD ein Viertel der Bürger schlechtzumachen. Weiter sagte Tillschneider, dass sowohl die evangelische als auch die katholische Kirche »den Glauben an Gott, ohne den keine nationale Renaissance gelingt, nicht wiederbeleben kann«.

Bätzing hingegen hatte klargestellt, dass »völkischer Nationalismus«, wie er von der AfD vertreten werde, »mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild nicht vereinbar« sei. Bätzing verwies auf einen von der DBK im Februar 2024 einstimmig gefassten Unvereinbarkeitsbeschluss, wonach die AfD für Christen kein Ort politischer Betätigung sein könne. Doch nicht allein Rechte in der BRD treiben Bätzing um. Eine antidemokratische katholische Bewegung, die auch in Deutschland immer mehr Anhänger gewinnt, bereitet Bätzing Sorgen. Der Bischof forderte eine »deutliche Zurückweisung jener merkwürdigen neointegralistischen Versuche, die in rechtskonservativen Kreisen an den Rändern der Kirche ersponnen« würden.

Der Neointegralismus hat in den vergangenen Jahren unter Theologen und Intellektuellen in den USA und Europa an Boden gewonnen. Seine Vertreter halten die liberale Demokratie für gescheitert und wollen sie durch eine Art katholischen Gottesstaat ersetzen. Der US-amerikanische Politikwissenschaftler James M. Patterson von der University of Tennessee unterschied im Juli in einem Interview mit dem Portal katholisch.de zwischen zwei Lagern in der Bewegung. Demnach gebe es eine »neofeudale« Richtung, die »einer Rückkehr zu persönlichen, hierarchischen Herrschaftsmodellen« ähnlich wie im Mittelalter das Wort redet, und eine Strömung, die einem »klerikalen Faschismus« zuneige. Letztere bewunderten offen katholisch geprägte Diktaturen des 20. Jahrhunderts wie den Austrofaschismus unter Engelbert Dollfuß. Die heutigen »Helden« seien Figuren wie US-Vizepräsident J. D. Vance oder Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán. Dass Orbán Protestant sei, störe laut Patterson nicht weiter, solange die Politik stimme: »Ausbau der Exekutivgewalt, Förderung traditioneller Familien, Einschränkung von Pressefreiheit und Opposition«.

Ein weiteres Thema auf der Herbstvollversammlung war zudem der Dauerbrenner um den Reformprozess in der katholischen Kirche in Deutschland, den Bätzing durch die jüngsten Äußerungen des neuen Papstes Leo XIV. nicht ausgebremst sieht, wie AFP am Dienstag meldete. Der Papst stehe »in den wesentlichen Punkten« in Kontinuität zu seinem Vorgänger Papst Franziskus, so Bätzing. Leo XIV. hatte in der vergangenen Woche jedoch deutlich gemacht, dass er keine grundlegenden Änderungen im Umgang mit Frauen, LGBTQ-Rechten oder Missbrauchsskandalen um Priester vornehmen werde. Zudem hält es der Papst in naher Zukunft für »höchst unwahrscheinlich«, dass sich die kirchliche Lehre zu Sexualität oder Ehe ändern werde.

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  • Leserbrief von Onlineabonnent/in Ulf G. aus Hannover (28. September 2025 um 19:51 Uhr)
    Das Wort »Rechtleitung« irritiert in Tillschneiders Argumentation, da es eher keine biblische Vokabel ist, dafür aber mehrdutzendfach im Koran vorkommt. Zudem widerlegt die zitierte Bibelstelle 2.Kor.11,14 (nämlich dass Satan sich zum Engel des Lichts verstelle) die aufgestellte Behauptung über die klare Trennbarkeit zwischen Wahrheit und Irrtum. Auch diese Klarheit der Trennbarkeit klingt für mich mehr islamisch als biblisch, obwohl natürlich beide Heilige Schriften kräftig gegen Ungläubige austeilen und beide um Verfälschungen der Offenbarung wissen. Das zweite Vatikanische Konzil stützt in Sachen Toleranz gegen Andersgläubige durchaus die Position des Bischofs. Sich gegenseitig zu Ketzern zu erklären, ist alles andere als konstruktiv, zumal es nirgendwo einen allseits akzeptierten Gottesbeweis gibt. Es gibt nur die Gotteserfahrung, und die ist höchst subjektiv und muss auch subjektiv bleiben, wenn sie den Menschen in einem tiefen Inneren aufbauen soll.
    • Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (30. September 2025 um 19:50 Uhr)
      Einen Beweis kann man nicht akzeptieren. Entweder ist etwas bewiesen oder nicht, tertium non datur. Darüber, wer den größeren Unfug verbreitet, ein Bischof oder ein Islamwissenschaftler von der AfD, sollte man in der jW nicht diskutieren, hier sollte der jeweilige Unfug bloßgestellt werden.

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