»Die Manufaktur war ein wichtiger Devisenbringer«
Interview: Max Ongsiek
Die gerade eröffnete Sonderausstellung »Die blauen Schwerter – Meissen in der DDR« der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden widmet sich der Geschichte der sächsischen Porzellanmanufaktur in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Welches Konzept liegt der Ausstellung zugrunde und was sind die thematischen Schwerpunkte?
In der Ausstellung vereinen wir über 450 Exponate auf 685 Quadratmetern. Insgesamt zeigen wir eine sehr große Zahl an Objekten, die wir aber auch benötigen, da unsere Ausstellung einen multiperspektivischen Ansatz verfolgt. Das heißt, wir zeigen nicht nur Porzellan, sondern verorten das Porzellan in Kultur, Sozialpolitik, Wirtschaft und auch in der Kunstgeschichte.
Welche besonderen Exponate zeigt die Schau?
Ganz unterschiedliche: Zu unseren Highlights gehört beispielsweise ein Entwurf des Lingner-Frieses, das sich im Original am Haus der Ministerien befindet. Das war der erste große Auftrag in der DDR, der in die Gründung der »Abteilung Wandbild« der Manufaktur mündete. Der Fries, nicht ohne Grund am Gründungsort der DDR angebracht, zeigt eine neue Gesellschaftsordnung, das Ideal des jungen sozialistischen Staates. Schließlich hatte schon Walter Ulbricht auf der Leipziger Messe dazu aufgerufen, den sozialistischen Menschen darzustellen. Ein weiteres Highlight sind die Originalkostüme des Stücks »Der Drache« von Jewgeni Schwarz, inszeniert von Benno Besson am Deutschen Theater in Berlin. Das Stück war ein großer Exportschlager und wurde auch in Paris und in Bonn gezeigt.
Laut Katalog fußt die Ausstellung sowohl auf Gesprächen mit Zeitzeugen als auch auf Recherchen in Archiven und Sammlungen. Wie haben ehemalige Beschäftigte ihren Arbeitsalltag beschrieben?
Immer war die Rede von einem großen Zusammenhalt und einem Bewusstsein, Teil einer wirklich langen Tradition zu sein. Was aber auch immer eine Rolle spielte, waren eben auch Vorteile, die mit der Beschäftigung in der Manufaktur verbunden waren. Der Betrieb hatte ein Ferienheim und einen Kindergarten. Außerdem wurden dort regelmäßig Feste gefeiert. Eine große Rolle spielten aber auch die Jubilarfeiern. Wenn man 25 Jahre in der Manufaktur beschäftigt war, gab es einen Umzug, es gab Kostüme und man wurde zur Arbeit gebracht.
Welche Rolle spielte Meissner-Porzellan im Alltag der DDR?
Zum Ende der DDR hin sind 90 Prozent der Meissener Produktion ins nichtsozialistische Ausland gegangen. Das machte einen Umsatz von 30 Millionen DM aus. Die Manufaktur war ein wichtiger Devisenbringer. Deswegen muss man immer schauen, was eigentlich in der DDR blieb. In der DDR blieben vor allem Medaillen, beziehungsweise Gedenkmedaillen und Auszeichnungen. Ansonsten war Meissener Porzellan wirklich etwas sehr Seltenes. Man konnte es zwar kaufen, aber es war eben auch sehr teuer. Und da zeigt auch das abgelichtete Familienporzellan des Fotografen Adrian Sauer in der Ausstellung eben nicht Meissener Zwiebelmuster, sondern Zwiebelmuster aus der Porzellanfabrik Kahla in Thüringen. Kahla-Porzellan blieb in der DDR. Und Meissen war als Luxusmarke für den Export vorgesehen.
Welche Rolle hatte der volkseigene Betrieb »Staatliche Porzellan-Manufaktur Meissen« im sozialistischen Wirtschaftssystem?
Der Betrieb war der achtgrößte Devisenbringer der DDR und hatte eine entsprechend wichtige wirtschaftliche Bedeutung. Aber natürlich war es in höchstem Maße eine manufakturelle Produktion, die eben auch die entsprechenden Fachkräfte benötigte. Es gibt viele Porzelliner, viele Personen, die eben auch in der Manufaktur Porzellanmalerei gelernt haben und später dann an die Hochschule für Bildende Künste in Dresden gegangen sind und später auch als freie Künstler tätig waren.
Sebastian Bank ist Kurator für den Sammlungsbestand Europäisches Porzellan bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden
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