Kriegstüchtige Flotte mit Haken
Von Burkhard Ilschner
Der Pistorius’sche Ruf nach »Kriegstüchtigkeit« hat längst auch die maritime Wirtschaft erreicht – nur spricht man da vorerst noch behutsamer über »spezifische Brancheninteressen in Zeiten wachsender geopolitischer Spannungen«. Auf gleich zwei Veranstaltungen haben sich vergangene Woche Seehäfen und Reeder entsprechend in Stellung gebracht.
Das Deutsche Verkehrsforum (DVF) als Interessenverband der Logistikwirtschaft hatte am Mittwoch Abgeordnete zu einem »parlamentarischen Abend« geladen, um in der laufenden Haushaltsberatung des Bundestages noch ein bisschen Lobbyismus in Sachen Hafenpolitik zu betreiben. Versorgungssicherheit, Resilienz von Lieferketten oder militärische Logistik via Kaje spielten ebenso eine Rolle wie der Dauerstreit um den Zuschussbedarf der deutschen Seehäfen: Über die Idee, die im Prinzip unumstrittene Finanzierungslücke aus dem Sondervermögen Infrastruktur zu begleichen, wurde bereits berichtet. Für den DVF unterstrich dessen Präsidiumsmitglied Matthias Magnor, CEO der Bremer BLG Logistics Group, die Dringlichkeit unter anderem mit dem Stichwort »Verteidigungsfähigkeit«. Der neue Regierungskoordinator für Maritime Wirtschaft, Christoph Ploß (CDU), unterstützte das und kündigte schnelleres Planungsrecht an, um große Infrastrukturprojekte »zügig« – also mit gebremstem Bürgerwiderspruch – durchpauken zu können.
Auch die Versorgung mit klimaneutralen Energieträgern sei wichtiger Teil des Abends gewesen, berichtet das DVF über die eigene Veranstaltung. So habe Reeder-Vertreter Arnt Vespermann unterstrichen, seine Branche steuere »konsequent auf Klimaneutralität bis 2050« zu – dass die Reeder dafür weitere staatliche Hilfen erwarten, ist kein Geheimnis. Etwas skurril mutet es da indes an, dass der maritime SPD-Experte Uwe Schmidt, Abgeordneter aus Bremerhaven, in Sachen Häfenfinanzierung feststellt: »Der Großteil der Investitionen aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität muss ganz deutlich der Infrastruktur zugutekommen – Zielgröße 80 Prozent.« Was letztlich eine Absage an klimapolitische Subventionen welcher Art auch immer bedeutet: Hatte nicht jüngst gerade die SPD der CDU-Wirtschaftsministerin Katherina Reiche in dieser Frage heftig widersprochen?
Deutlicher noch als beim DVF kam die Sache mit der »Verteidungsfähigkeit« einen Tag später bei einer Veranstaltung (»Blue Night«) des Verbands Deutscher Reeder (VDR) zur Sprache. Kein Wunder, schließlich hatte man sich neben Ploß eigens Nico Lange von der Münchener Sicherheitskonferenz geholt: Das deutsche Geschäftsmodell werde künftig nur noch funktionieren, zitiert das Fachblatt THB den Experten, »wenn Deutschland und Europa global militärische Macht projizieren können. Maritime, militärische und technologische Fähigkeiten entscheiden darüber, wer künftig in Wirtschaft und Handel erfolgreich sein wird.«
VDR-Präsidentin Gaby Bornheim assistierte: Wirtschaftlicher Erfolg, Versorgungssicherheit und »unser Platz in der Welt« hingen entscheidend davon ab, eine starke Schiffahrtsnation zu sein. Die deutsche Handelsflotte sei im Falle von Konflikten unverzichtbar, um etwa militärische Güter und Ausrüstung sicher transportieren zu können. Deutschland könne sich das Risiko nicht leisten, dabei von anderen abhängig zu sein.
Hehre Worte – nur eine Kleinigkeit lässt der VDR dabei außen vor: Von den aktuell 1.631 Schiffen deutscher Reeder fahren momentan nur 246 unter deutscher Flagge. Bei allen übrigen hätte im Krisenfall die Bundesmarine also den jeweiligen Flaggenstaat erst um vorzeitige Vertragsauflösung zu bitten, um auf das Schiff zugreifen zu können; nicht auszuschließen, dass der Flaggenstaat sich dafür noch bezahlen lässt. Und dann? Welche Seeleute sollten die derzeit aus vielen Völkern der Welt gemischten Crews der Schiffe ersetzen? In Debatten über »kritische Infrastruktur« haben Experten die maritime Flaggen- und Nachwuchspolitik schon lange offiziell problematisiert: Vor militärischem Getöse sollten deutsche Reeder erst ihre Hausaufgaben machen.
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