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Aus: Ausgabe vom 04.09.2025, Seite 3 / Schwerpunkt
Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit

Emsige Gipfeldiplomatie

Der Gipfel der SOZ entwickelt sich zum Zentrum bilateraler Aushandlungen
Von Jörg Kronauer
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Machtbewusster Mittelplatz: Xi Jinping umringt von Staatschefs aus aller Welt (Tianjin, 1.9.2025)

Nicht nur für die Staats- und Regierungschefs der zehn Mitglieder der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), auch für ihre Amtskollegen aus den 17 Partnerstaaten bot der Gipfel in Tianjin die Gelegenheit, eine lange Reihe wichtiger bilateraler Treffen abzuhalten. Das ist keine Kleinigkeit; vielmehr wird die SOZ damit zu einem neuen Gravitationszentrum der internationalen Politik – neben den westlich dominierten Formaten wie etwa den G7.

Recep Tayyip Erdoğan, Präsident des NATO-Mitglieds Türkei, nutzte die Tatsache, dass sein Land als SOZ-Partnerstaat nach Tianjin eingeladen war, um diverse bilaterale Gespräche zu führen. Bei Chinas Präsident Xi Jinping warb er um chinesische Investitionen in seinem Land, besprach mit ihm eine engere Integration der Türkei in die Transportkorridore der »Neuen Seidenstraße«, erörterte Optionen für ein etwaiges Ende des Ukraine-Kriegs und diskutierte Chancen für chinesische Aktivitäten in Syrien. Mit Putin wiederum sprach Erdoğan über die Weiterführung der bilateralen Zusammenarbeit, bekräftigte seine fortgesetzte Bereitschaft, im Ukraine-Krieg zu vermitteln, und nahm Möglichkeiten in den Blick, den Friedensprozess im Südkaukasus fortzusetzen. Darüber hinaus traf der Präsident der Türkei, um jeweils bilaterale Fragen zu behandeln, mit Pakistans Ministerpräsident Shehbaz Sharif wie auch mit Irans Präsident Massud Peseschkian zusammen. Letzterer wiederum betrieb – wie alle Anwesenden – seine eigene Gipfeldiplomatie, unter anderem mit Xi, Putin und Sharif.

Emsiger Diplomatie befleißigten sich am Rande des SOZ-Gipfels auch der Premier Armeniens, Nikol Paschinjan, sowie Aserbaidschans Präsident, Ilham Alijew. Beide Länder hatten sich im März auf den Text für einen Friedensvertrag geeinigt, der jedoch noch unterschrieben werden muss. Im August hatte US-Präsident Donald Trump beide Präsidenten zu einem pompösen Auftritt ins Weiße Haus eingeladen, sie eine unverbindliche Friedenserklärung unterzeichnen lassen und protzig verkündet, er habe soeben den Konflikt im Südkaukasus gelöst. Im Anschluss an die billige Trump-Show setzten Paschinjan und Alijew in Tianjin ihre Arbeit in Richtung Frieden fort, trafen sich vor allem mit Putin und Erdoğan, aber auch mit Xi, dessen Land über erhebliche finanzielle Mittel und damit über hohe Investitionspotentiale verfügt. Zudem könnte ein Ausbau der Transportkorridore aus China in Richtung Europa durch den Südkaukasus, Armenien undAserbaidschann neue Profite bringen – Profite, dank denen sich der Frieden auszahlt.

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