Gegründet 1947 Freitag, 22. August 2025, Nr. 194
Die junge Welt wird von 3019 GenossInnen herausgegeben
Aus: Ausgabe vom 22.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Rohstoffwirtschaft

Halbes Land zu verkaufen

DR Kongo bietet gigantische Areale für Öl- und Gasausbeutung an. Natur- und Klimakatastrophe droht
Von Christian Selz, Kapstadt
9.JPG
Wer braucht schon Naturschutz? Schneise des Ressourcenabbaus nahe der kongolesischen Stadt Mobwalu

Gorillas, Regenwald, ein erst zu Jahresbeginn geschaffenes Naturschutzgebiet von der Größe Frankreichs: Kann alles weg, wenn es nach der Regierung der Demokratischen Republik Kongo geht. In einer neuerlichen Auktionsrunde versucht sie derzeit, Lizenzen zur Öl- und Gasausbeutung in 52 neuen Blöcken zu verkaufen, die insgesamt mehr als die Hälfte der Fläche des zweitgrößten afrikanischen Staats ausmachen. Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass vorgebliche Partner im globalen Norden das Land bei Finanzzusagen für den Umweltschutz haben hängen lassen.

Die Auktion, die die Regierung der DR Kongo im Mai gestartet hat, kann kaum anders als erschreckend genannt werden. Auf insgesamt 1,24 Millionen Quadratkilometern sollen interessierte Öl- und Gasfirmen künftig nach den fossilen Rohstoffen suchen dürfen. Die monströse Zahl umschreibt gut 53 Prozent der Fläche des Landes und entspricht damit einem Areal, das dreieinhalbmal so groß wie Deutschland ist. 39 Millionen Menschen leben in dem betroffenen Gebiet. Hinzu kommt, dass die potentiellen Explorationsblöcke gigantische Areale von globaler Bedeutung für Artenvielfalt und Klimaschutz einschließen.

64 Prozent der nun zur Auktion stehenden Fläche bestehen aus intaktem Regenwald, wie ein jüngst veröffentlichter Bericht der Organisation Earth Insight hervorhebt. Auch 72 Prozent des Grünen Korridors Kivu-Kinshasa, erst im Januar dieses Jahres unter anderem mit Finanzierungszusagen der EU auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos als größtes Regenwaldschutzgebiet der Welt vorgestellt, könnten nun der Öl- und Gasexploration zum Opfer fallen. Bedroht sind dadurch nicht nur seltene Pflanzen- und Tierarten wie beispielsweise Gorillas, sondern auch die Cuvette Centrale, das größte Torfmoor der Welt, das etwa 30 Milliarden Tonnen Kohlenstoff speichert. Deren Freisetzung entspräche den globalen CO2-Emissionen von drei vollen Jahren.

Die britische Tageszeitung Guardian zitierte dazu Professor Simon Lewis vom University College London, der die erste Kartierung des Moorgebiets geleitet hatte, mit den Worten: »Der schlimmste Ort auf der Welt für die Suche nach Öl steht zur Auktion – wieder einmal.« Lewis bezieht sich mit dem Zusatz auf eine vorherige Auktionsrunde, in der die Regierung der DR Kongo schon 2022 versucht hatte, 30 Blöcke für die Öl- und Gasexploration zu verkaufen. Die Auktion wurde im vergangenen Jahr jedoch – mit Ausnahme von drei Arealen – abgebrochen. Das zuständige Ministerium für Öl und Gas hatte damals zu spät eingegangene Bewerbungen, irreguläre Gebote und einen Mangel an Wettbewerb als Gründe angeführt.

Bereits vor der 2022er Explorationsrunde hatte die Regierung der DR Kongo auf dem Weltklimagipfel COP 26 Ende 2021 in Glasgow ein Abkommen mit der Central African Forest Initiative geschlossen, demzufolge Kinshasa 500 Millionen US-Dollar (430 Millionen Euro) für den Erhalt von Regenwäldern und der Cuvette Centrale erhalten sollte. Wie der Guardian nun Ende Juli dieses Jahres berichtete, sind von den etwa 400 Millionen US-Dollar, die innerhalb des auf zehn Jahre angelegten Programms bisher den Plänen nach bereitgestellt werden sollten, allerdings erst 150 Millionen US-Dollar ausgezahlt worden. Finanziers der Initiative sind hauptsächlich europäische Staaten, darunter maßgeblich Norwegen und Deutschland.

Hatte sich noch 2022 neben der Europäischen Union auch die US-Regierung gegen die Ölförderungspläne der DR Kongo ausgesprochen, weht in dieser Hinsicht aus Washington derzeit ein anderer Wind. Wie die im südafrikanischen Kapstadt ansässige Investitionsplattform Energy Capital & Power am 11. August berichtete, hat die staatliche kongolesische Vermarktungsagentur APCSC bereits auf dem US-Afrika-Energieforum, das am 6. und 7. August im texanischen Houston stattfand, aktiv um Investoren geworben. Die US-Regierung hatte erst vor kurzem ein Friedensabkommen zwischen der DR Kongo und dem Nachbarland Ruanda vermittelt, in dessen Zuge US-Konzerne Zugriff auf Rohstoffe in der DR Kongo bekommen sollen.

75 für 75

Mit der Tageszeitung junge Welt täglich bestens mit marxistisch orientierter Lektüre ausgerüstet – für die Liegewiese im Stadtbad oder den Besuch im Eiscafé um die Ecke. Unser sommerliches Angebot für Sie: 75 Ausgaben der Tageszeitung junge Welt für 75 Euro.

 

links & bündig gegen rechte Bünde

Jetzt den kostenlosen jW-Newsletter abonnieren – täglich das Beste aus der Tageszeitung junge Welt, direkt in Ihr Postfach. Ihre E-Mail-Adresse wird natürlich niemals an Dritte weitergegeben.

Ähnliche:

  • »Neue Topkunden« aus Deutschland – Kohlekraftwerk in der nordöst...
    18.11.2022

    Sie nennen es Klimaschutz

    Westen drängt Südafrika aus Kohleverstromung, befördert damit Privatisierung – und kauft die Kohle derweil selbst
  • Im südafrikanischen Kapstadt gingen am Freitag Tausende Jugendli...
    21.09.2019

    Globaler Streik

    Hunderttausende Menschen demonstrieren auf allen Kontinenten gegen die Klimakatastrophe

Mehr aus: Kapital & Arbeit

                                                                 Aktionsabo: 75 Ausgaben für 75 Euro