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Aus: Ausgabe vom 14.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Katastrophenbonds

Fette Beute mit Katastrophen

»Cat Bonds«: Vermögensverwalter wollen EU-Beschränkung von Anlagemöglichkeiten verhindern. Volumen der Anleihen steigt rasant
Von David Siegmund-Schultze
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Bei einem nächsten Hurrikan Katrina könnte das »Cat Bond«-Geschäft in sich zusammenbrechen

Vermögensverwalter von Katastrophenbonds und die EU-Finanzmarktaufsichtsbehörde ESMA liegen im Clinch. Letztere empfahl der EU-Kommission im Juni, Katastrophenanleihen (auch »Cat Bonds« genannt) aus Fonds unter dem OGAW-Label auszuschließen, dem größten EU-Regelwerk für öffentlich zugängliche Anleihen. Laut der ESMA sei das Risiko zu hoch, dass es im Katastrophenfall wie einem schweren Erdbeben oder Hurrikan zum Ausverkauf von »Cat Bonds« kommt. Deswegen sollten die Anleihen nur noch als indirekte Beteiligung mit einer Obergrenze von zehn Prozent in den OGAW-Fonds enthalten sein dürfen, so die Empfehlung der Behörde. Dasselbe solle für weitere risikoreiche Anlagen – etwa Kryptowährungen und Immobilieninvestmentgesellschaften – gelten. Dagegen machen auf Katastrophenbonds spezialisierte Vermögensverwalter wie Twelve Capital, Fermat Capital und Plenum Investments nun mobil, berichtete die britische Tageszeitung Financial Times (FT) am Mittwoch.

»Cat Bonds« werden von Versicherern, Rückversicherern oder Regierungen ausgegeben, die sich gegen Naturkatastrophen absichern wollen. Bei Investoren gewinnen diese Anleihen an Beliebtheit, weil sie deutlich höhere Renditen als Staatsanleihen ermöglichen – und das unabhängig von den Schwankungen des Kapitalmarktes. Kommt es jedoch zum Katastrophenfall, steht der Investor in der Zahlungspflicht und verliert sein Geld ganz oder teilweise. Den Versicherungen dienen die »Cat Bonds« also dazu, die größer werdenden Bedrohungen angesichts von Naturkatastrophen und extremer Witterung auf private Investoren zu verlagern.

Fest steht: Das Finanzgeschäft mit solcherlei Risiken boomt. Versicherer verkauften zuletzt »Cat Bonds« in Rekordhöhe, berichtete die FT Mitte Juli. 2025 seien jene Anleihen bereits in einem Wertumfang von 18,1 Milliarden US-Dollar ausgegeben worden – im gesamten Vorjahr seien es lediglich 17,7 Milliarden US-Dollar gewesen, was jedoch bereits einen Rekordwert darstellte. Weil in Anbetracht der Zunahme von Waldbränden, Erdbeben und anderen Extremwetterereignissen Versicherer und Rückversicherer immer mehr Geld für die aufkommenden Schäden auszahlen müssen, setzen sie vermehrt auf »Cat Bonds«; und die mit ihnen zu erzielenden Renditen steigen rasant. Laut einem Branchenindex des weltweit größten Rückversicherers Swiss Re seien die Gesamterträge aus den Bonds im vergangenen Jahr um 14 Prozent gestiegen – innerhalb der vergangenen fünf Jahre gar um mehr als 50 Prozent.

Kein Wunder also, dass immer mehr Investoren wie Hedgefonds, Stiftungen oder sogenannte Family Offices – die Verwalter des Vermögens superreicher Familien – auf »Cat Bonds« setzen. Ebensowenig verwundert, dass die Verwalter der Katastrophenanleihen ihr Geschäft sichern wollen. Entsprechend entschieden wiesen sie die Empfehlungen der ESMA an die EU-Kommission zurück: »Die ESMA versucht, ein Problem zu lösen, das gar nicht existiert«, wird Daniel Grieger von Plenum Investments in der FT zitiert. Denn eine Naturkatastrophe großen Ausmaßes wie der Hurrikan Katrina, der 2005 die US-Golfküste traf – mit einem entsprechenden Massenverlust bei den Investoren der Bonds –, würde letztlich nicht zu einem Ausverkauf der Anleihen führen, so Grieger weiter. Der Grund: Eine derartige Tragödie treibe die Renditechancen mit den Bonds abermals in die Höhe und mache sie deshalb attraktiver.

Außerdem würde die von der ESMA vorgeschlagene Regulierung »normale Sparer« diskriminieren, indem ihnen der Zugang zu renditestärkeren Anleihen verwehrt werde. Und man würde die Möglichkeit verpassen, »mehr Kapital für die Realwirtschaft in Europa zu gewinnen«, meint Grieger. Dabei drängt sich der Verdacht auf, dass es Vermögensverwaltern wie Plenum Investments tatsächlich um die Anlagemöglichkeiten der Reichen bis Superreichen geht – und ihren fetten Beutezug.

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