Abschiebungen ohne Altersbeschränkung
Von Max Ongsiek
Die rigide Abschiebemaschinerie macht vor keinem Alter halt. Das zeigt die am Montag veröffentlichte Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage des Bundestagsabgeordneten Dietmar Bartsch (Die Linke) vom 31. Juli 2025. Dieser wollte wissen, »wie viele der abgeschobenen Personen zum Zeitpunkt der Abschiebung« in den Jahren 2021 bis 2024 sowie im ersten Halbjahr 2025 »schulpflichtig« waren und wie viele der aus der BRD abgeschobenen Personen »nach Kenntnis der Bundesregierung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung« nachgingen. Die Antwort des von Alexander Dobrindt (CSU) geführten Ministeriums ist dürftig.
Von den 11.807 außer Landes geschafften Migranten im ersten Halbjahr 2025 waren demnach 1.345 im Alter zwischen sechs und 18 Jahren. Dies entspricht 11,4 Prozent. Jeder neunte der im ersten Halbjahr 2025 aus der BRD abgeschobenen Menschen war demnach minderjährig. Aus der Antwort geht hervor, dass die Zahl der Abschiebungen bereits in den Jahren der Ampelkoalition kontinuierlich angestiegen ist. Waren es 12.945 im Jahr 2022, steigerten die Behörden die Zahl im Jahr darauf auf mehr als 16.430. Ein weiteres Jahr später waren es laut Regierung 20.084. Anfang 2024 hatte der Bundestag mit einer damaligen Mehrheit von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP eine Verschärfung der Abschieberegularien beschlossen. Das hatte die ehemalige Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) auch immer wieder betont und als Erfolg verkauft.
Aus der knappen Antwort des Dobrindt-Ministeriums auf die Anfrage des Linke-Politikers Bartsch lässt sich entnehmen, dass die Zahl der Minderjährigen ebenfalls anstieg. Lag sie 2021 bereits bei 1.172 Kindern, waren es 2022 1.439. Im Jahr darauf wurden 1.942 Minderjährige abgeschoben, 2024 traf es 2.316. Mit Blick auf die steigenden Abschiebezahlen insgesamt ist die Quote seit 2022 mit über elf Prozent stabil. Auf die Frage von Bartsch, wie viele der aus der BRD abgeschobenen Personen einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgingen, antwortete das Ministerium, es habe »keine Erkenntnisse«.
Der Linke-Politiker sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland mit Blick auf seine Anfrage: »Immer mehr Kinder aus Deutschland abzuschieben, löst kein Problem – es ist ein Problem!« Er fügte hinzu: »Welchen Sinn soll es haben, Kinder, die hier lernen, die hier aufwachsen, die hier integriert sind – die Fachkräfte von morgen – und ihre Familien abzuschieben?« Dass Dobrindt »sich als oberster Abschiebe- und Abschottungsminister inszeniert, wirft ein beschämendes Licht auf die Bundesregierung«, sagte Bartsch und betonte: »Kinder gehören in die Schule – nicht in den Abschiebeflieger.«
Hinter dem stetigen Anstieg der Abschiebezahlen steckt aus Sicht der Linkspartei Methode. »Aus der Praxis wurde mir der Eindruck berichtet, dass die Behörden alles daransetzen, die Abschiebezahlen in die Höhe zu treiben, wie es die Innenminister in Bund und Ländern von ihnen verlangen«, erklärte Clara Bünger, fluchtpolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, am Montag auf jW-Anfrage. Das treffe neben Familien mit Kindern, zunehmend auch »alte, kranke und pflegebedürftige Menschen«, es gebe Bünger zufolge kaum noch Hemmungen. Die Abschiebungen »stürzen die Betroffenen ins Elend; Kindern, die hier zur Schule gehen, nehmen sie die Zukunft. Diese brutale Politik muss beendet werden«, forderte die Linke-Abgeordnete gegenüber jW.
Als Vizeregierungssprecher Steffen Meyer am Montag eine erste Bilanz der Bundesregierung von Kanzler Friedrich Merz (CDU) zog, sprach er auch von der demnach vollzogenen »Migrationswende«. »Der Anfang ist gemacht, und ein Politikwechsel ist in vielen Bereichen eingeleitet«, resümierte Meyer. Die Koalition von CDU/CSU und SPD wird am Donnerstag die ersten 100 Tage im Amt überstanden haben.
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