Das große Glück
Von Kristian Stemmler
Wenn es um die Aufrüstung des Landes und Steuergeschenke an Konzerne geht, hat die »schwarz-rote« Bundesregierung keinerlei Probleme mit neuen Schulden. Rund 81,8 Milliarden Euro sollen ausweislich des am Dienstag von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) eingebrachten Etatentwurfs 2025 im Kernhaushalt aus Krediten finanziert werden – mehr als doppelt so viel wie im vergangenen Jahr. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nutzte am Mittwoch die Generaldebatte im Bundestag, den traditionellen Höhepunkt der Haushaltsberatungen, um diese Prioritätensetzung zu rechtfertigen: Die zusätzlichen Milliarden seien unverzichtbar, um die »Sicherheit« des Landes zu gewährleisten und die Wirtschaft anzukurbeln.
Auch die noch vom alten Bundestag im März beschlossene Lockerung der »Schuldenbremse«, die für das Sondervermögen von 500 Milliarden für Rüstung und Infrastruktur erforderlich war, stellte der CDU-Politiker als alternativlos dar. Erst die Grundgesetzänderung habe erhebliche Anstrengungen zur »Wiederherstellung der Verteidigungsfähigkeit Deutschlands« ermöglicht. Deutschland habe in der EU sowie der NATO eine Führungsverantwortung übernommen. »Wenn wir nicht bereit gewesen wären, mehr für unsere Verteidigung auszugeben«, orakelte Merz, »dann wäre die NATO wahrscheinlich im 70. Jahr unserer Mitgliedschaft auseinandergebrochen.«
Mit den Schulden werde außerdem der Grundstein für erhebliche Investitionen in die Infrastruktur und den Klimaschutz ermöglicht, so der selbstzufrieden klingende Redner: »Damit hat die Bundesregierung die Wende in der Wirtschaftspolitik eingeleitet.« Seine Regierung habe in den ersten zwei Monaten seit Amtsantritt »viel angepackt«; sie wolle »den Mut und die Zuversicht vermitteln«, dass es sich lohne, in diesem Land zu arbeiten und es ein großes Glück sei, hier »in Frieden und Freiheit zu leben«.
Ansonsten arbeitete der Bundeskanzler sich vor allem an AfD-Fraktionschefin Alice Weidel ab, die als Oppositionsführerin die Debatte eröffnet und ihn scharf angegriffen hatte. Sie bezeichnete Merz mit Blick auf die Lockerung der »Schuldenbremse« als »Lügenkanzler«. Merz plane »eine Schuldenorgie, die die Welt noch nicht gesehen hat«. Merz wies die Angriffe als »üble Nachrede« zurück. Zur Kritik Weidels an der Migrationspolitik der Regierung erklärte er, man habe für eine Reduzierung der »irregulären Migration« Weichen gestellt. »Sie werden jetzt langsam ihr politisches Kampfthema los, dem Sie Ihre Existenz verdanken«, rief Merz Weidel zu.
Unionsfraktionschef Jens Spahn rechtfertigte die Kreditaufnahme ebenfalls. »Wir machen gerade so viele Schulden wie noch nie zuvor«, sagte er. Aber wirtschaftliches Wachstum sei zwingend notwendig und schaffe »die Resilienz, die wir brauchen«. Nach Jahren, »in denen wir uns stranguliert haben«, nehme die Regierung jetzt Geld in die Hand, erklärte auch SPD-Generalsekretär Matthias Miersch. Das Investitionsprogramm komme »allen zugute«. Die Aufrüstung rechtfertigte der SPD-Mann mit dem russischen Angriff auf die Ukraine. Diplomatie funktioniere da nicht.
Auch Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte an den Millliarden für die Rüstung erwartungsgemäß nichts auszusetzen, monierte aber die »soziale Schieflage« der Regierungspolitik. Wenn es um die Schwächsten der Gesellschaft gehe, habe Merz »keine Scheu«. So habe er kein Problem damit, Bürgergeldempfänger zu sanktionieren. Dröge kritisierte zudem, die Regierung stecke Geld aus der Lkw-Maut nur in Straßen, nicht auch in Schienen, genehmige neue Gasbohrungen und Gaskraftwerke und wolle das Heizungsgesetz aufweichen. Das sei eine »klimapolitische Bankrotterklärung«.
Kritik an der Aufrüstung kam in diesem parlamentarischen Rahmen allein von der Fraktion Die Linke. Kofraktionschefin Heidi Reichinnek sprach von einem »Haushalt der Hoffnungslosigkeit«, von »massiver Aufrüstung« und »Steuergeschenken für Superreiche und Konzerne«. Die Militarisierung, die die Regierung vorantreibe, sei »ein Spiel mit dem Feuer, auch finanziell«, so Reichinnek. Werde der NATO-Beschluss umgesetzt, fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Rüstung auszugeben, seien dies mehr als 220 Milliarden Euro, über die Hälfte des Haushalts. »Und das Geld, das nach ihren Rüstungsorgien noch übrig bleibt, werfen sie denen hinterher, die ohnehin schon zu viel haben«, so die Linke-Politikerin. Zugleich würden die Schlangen an den Essensausgaben der Tafeln immer länger, die Vermögensungleichheit größer. Die Regierung betreibe Umverteilung von unten nach oben.
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