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Aus: Ausgabe vom 07.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Inflation und Verbraucherschutz

Preisstopp an Kassa

Österreich: Minister erwägt Regulierung. Handelsverband schlägt Alarm. ÖGB fordert Kommission
Von Oliver Rast
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Eine Kostenfrage: Die Auswahl fällt zahlreichen Verbrauchern immer schwerer (Salzburg, 4.5.2025)

Da passt viel rein: in einen Einkaufswagen. Nur, immer weniger Verbraucher machen ihn voll. Auch in Österreich nicht. Weil: Die Teuerungswelle rollt weiter – und sie trifft zuerst jene, die sich ohnehin kaum über Wasser halten können. Dabei ist Inflation kein Naturphänomen – sie ist politisch regulierbar. Das ahnt selbst der sozialdemokratische Finanzminister Markus Marterbauer.

Der Ressortchef wagte sich am Dienstag vor, in der Mittagsausgabe von »Zeit im Bild« (ZIB) vom ORF. Im Interview sprach er von einer Art »Gentlemen’s Agreement mit Einzelhandelsunternehmen« hinsichtlich Lebensmittelpreisen; vorstellen könne er sich ferner einen Preisstopp für bestimmte Produkte. Abgesprochen waren die Aussagen in der »Zuckerl«-Koalition von konservativer ÖVP, SPÖ und liberalen Neos offenbar nicht. Entsprechend stark war der innenpolitische Wellengang, die Bugwelle für Marterbauer.

Besonders forsch reagierte der Handelsverband. »Wir lehnen staatliche Eingriffe in die Preisgestaltung des österreichischen Lebensmittelhandels vehement ab«, betonte dessen Pressesprecher Gerald Kühberger am Mittwoch im jW-Gespräch. Den Fokus auf Supermärkte zu legen verkenne Ursache und Wirkung. Denn die »Kostenlawine« bei Energie, Personal, Logistik und nicht zuletzt bei Rohstoff- und Erzeugerpreisen belaste die Branche enorm. Den Einzelhandel dafür verantwortlich zu machen, sei nur eins: »Sündenbockpolitik«, so Kühberger weiter.

Inhaltlich unterstützt wird der Handelsverband von Karin Doppelbauer (Neos). Ein Eingriff seitens politisch Verantwortlicher in das Marktgeschehen sei nur gerechtfertigt, »um endlich für mehr Wettbewerb und Transparenz zu sorgen sowie den Reformmotor in den nächsten Gang zu schalten«, sagte die Budgetsprecherin ihres Nationalratsklubs am Mittwoch auf jW-Anfrage. Das Problem hoher Preise an der Ladenkasse lasse sich nicht mit staatlichen Brotpreisen lösen.

Differenzierter – wenngleich unkonkret – äußerte sich das ÖVP-Generalsekretariat gleichentags auf Nachfrage dieser Zeitung. »Wenn es aufgrund der aktuellen weltpolitischen Bedrohungslage zu stark steigenden Preisen kommt, treffen wir Gegenmaßnahmen.« Hohe Inflationsraten, die Verbraucher und Unternehmer gleichermaßen belasten, »werden wir nicht akzeptieren«.

Was sagt die Parlamentsopposition? Zunächst, es fehle eine gemeinsame Position der Dreierkoalition, monierte eine Sprecherin des Parlamentsklubs der Grünen gegenüber jW. Wenigstens habe die SPÖ nun erkannt, »dass das von ihr mitbeschlossene Kürzungsbudget nicht von ›breiten Schultern‹ getragen wird – sondern von vielen, die ohnehin wenig haben.« Bloß, was tun? Eine Maßnahme: Einrichtungen der Daseinsvorsorge in öffentliche Hand, beispielsweise Energieversorger. Die Formel: weniger Rendite, niedrigere Preise, mehr Kaufkraft der Verbraucher. Und für die rechte FPÖ ist die Diskussion über Preisdeckel eh nur der »Beweis für wirtschaftspolitisches Regierungsversagen«.

Welche Position hat der ÖGB? In der Lebensmittelfrage fordert der Gewerkschaftsdachverband »eine schlagkräftige Antiteuerungskommission, die Preise mit Hilfe einer Preisdatenbank entlang der Wertschöpfungskette überwacht«, sagte eine Sprecherin am Mittwoch jW. Gegebenenfalls auch sanktioniert. Aber dafür brauche es »politischen Willen«.

Ein weiterer Knackpunkt: der »Österreich-Aufschlag«, kritisierte die Arbeiterkammer Wien wiederholt. Tägliche Verbrauchsgüter sind in der Alpenrepublik im EU-Vergleich teuer. Verursacht durch territoriale Lieferbeschränkungen internationaler Hersteller. Denn österreichische Händler dürfen bestimmte Produkte nicht günstiger im Ausland (zum Beispiel in Deutschland) einkaufen, sondern müssen sie über die nationale Vertriebsgesellschaft des Multis beziehen – zumeist zu deutlich höheren Preisen.

Die stehen dann fein säuberlich addiert auf dem Kassabon. Kein Wunder, das Einkaufswagerl bleibt oft halb leer.

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