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Aus: Ausgabe vom 07.08.2025, Seite 9 / Kapital & Arbeit
Bilaterale Beziehungen

Silicon Valley in Kuba

Inselrepublik und Russland planen Technologiepark gegen US-Blockadepolitik. Kubanische Kontras hetzen
Von Volker Hermsdorf
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Kooperationspartner: Russlands Präsident Wladimir Putin und Kubas Staatschef Miguel Díaz-Canel (Moskau, 7.5.2025)

Kuba und Russland wollen der US-Blockade eine Hightechoffensive entgegensetzen. Die Vision eines kubanischen Silicon Valley klingt zwar wie Zukunftsmusik, doch schon die Ankündigung veranlasste westliche Medien zu heftigen Reaktionen. Auf der vor Kubas Südküste im Karibischen Meer gelegenen Isla de la Juventud soll ein Technologiepark entstehen, der die Insel zu einem digitalen Hub in der Region und darüber hinaus machen könnte. Das von Russland vorangetriebene Vorhaben mit dem Namen »Cayo Digital« sieht die Ansiedlung von Unternehmen aus BRICS-Staaten und der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) vor, die gemeinsam »digitale Souveränität« gegen die Vorherrschaft westlicher Techkonzerne entwickeln sollen.

Rund 100 Kilometer südlich von Havanna soll auf der bislang wenig entwickelten Insel bis 2032 ein modernes Entwicklungszentrum mit Fokus auf künstliche Intelligenz, virtuelle Realität, digitale Kunst und nachhaltige Technologien entstehen – konzipiert als Gegenmodell zum US-dominierten Silicon Valley. Geplant ist ein eigener urbaner Raum mit Wohnanlagen, Forschungseinrichtungen, Produktionsbetrieben für Hard- und Software, Versorgungssystemen und Bildungsstätten, ausgelegt für bis zu 15.000 Menschen, darunter 12.000 Fachkräfte und 3.000 Studierende. Die ersten Wohnbauten sollen zwischen 2026 und 2028 entstehen, einige Forschungszentren noch vor 2030 den Betrieb aufnehmen. Koordiniert wird das Projekt unter anderem von mehreren russischen Ministerien, wirtschaftlichen Institutionen und dem in Moskau ansässigen Unternehmen GenIT, das seit 2023 in Kuba präsent ist und auf Softwareentwicklung sowie Automatisierung spezialisiert ist.

Bei der kürzlich in Russland erfolgten Präsentation des Vorhabens erklärte GenIT-Direktor Alexander Wolkow, dass es in Lateinamerika und der Karibik eine »hohe Nachfrage« nach russischen IT-Lösungen gebe. Das Interesse werde durch eine Zunahme des regionalen Misstrauens gegenüber westlichen Technologieangeboten angeheizt, »da diese häufig absichtlich hinzugefügte Schwachstellen – sogenannte ›Backdoors‹ – enthalten, etwa zur Entwendung persönlicher Daten oder zur Beeinflussung elektronischer Geräte«. Russland setze dagegen auf On-Premise-Modelle – also Systeme, die nicht über globale Cloudanbieter laufen, sondern lokal gesichert sind.

Der Partner für das ambitionierte Projekt wurde nicht zufällig gewählt. Laut Wolkow wurde Kuba als Standort für das künftige Technologiezentrum wegen seiner »historischen und kulturellen Nähe« zu Russland und seiner Kooperationsbereitschaft mit russischen Unternehmen vorgeschlagen. Die »gegenüber westlichem Sanktionsdruck unbeugsame Inselrepublik« sei zudem technologisch ausbaufähig und verfüge über ein hohes Potential an ausgezeichneten Fachkräften. Obwohl die US-Blockade seit über 60 Jahren jede Form wirtschaftlicher Eigenständigkeit zu ersticken versucht, bilden die Universität Havanna und die Technische Hochschule Cujae seit Jahren IT-Experten aus, teils sogar mit russischsprachigen Studiengängen. In Kooperation mit dem russischen Projekt »Escuela 21« sollen kubanische Jugendliche künftig verstärkt in Programmiersprachen, Cybersicherheit und künstlicher Intelligenz ausgebildet werden. Außerdem verfüge Kuba über gute Verbindungen zu vielen anderen Ländern der Region, »die den Zugang zu benachbarten Märkten erleichtern«, so Alexander Wolkow. Aus Sicht Havannas ist Cayo Digital – sollten die Pläne dazu realisiert werden – weit mehr als ein Technologiepark, es ist ein Projekt gegen die Blockade.

Wie zu erwarten war, ließen die westlichen Reaktionen nicht lange auf sich warten. US-Medien erklärten »Cayo Digital« wahlweise zur »Fata Morgana«, zum »technologischen Romantizismus« oder zum »dystopischen Wahnwitz auf der Insel der Stromausfälle«. Das Contraportal »Cubacute« warnte verschwörungstheoretisch vor einem »russischen Geheimplan«, während die BBC sich über die Pläne für ein »Silicon Valley auf der Blackout-Insel« lustig machte. Ob das Vorhaben gelingt, ist in der Tat offen. Der Erfolg wird auch davon abhängen, ob weitere BRICS-Staaten wie China oder Indien sich beteiligen. Dennoch zeigen die Reaktionen im Westen bereits jetzt: Cayo Digital ist nicht nur ein weiteres Projekt mit ungewissem Ausgang, sondern eine Kampfansage an die US-Vorherrschaft im digitalen Raum.

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