Erste Sitzung in Ankara
Von Tim Krüger
Nach mehreren Monaten Diskussion ist am Dienstag erstmals die parlamentarische Kommission zusammengetreten, die den bislang sehr vage gehaltenen Prozess zwischen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und dem türkischen Staat überwachen soll. Bis zuletzt waren zentrale Details über die Kommission sowie ihre Arbeitsweise unklar. Doch die Einrichtung wird als wichtiger nächster Schritt nach der symbolischen Waffenniederlegung der PKK am 11. Juli bewertet. Allein der Name der Kommission hatte zuvor für heftige Diskussionen gesorgt. Die prokurdische Dem-Partei hatte sich – in Anlehnung an den Aufruf des PKK-Gründers Abdullah Öcalan vom 27. Februar – für »Kommission für Frieden und eine demokratische Gesellschaft« ausgesprochen. Die regierende AKP hatte ihren Slogan »Terrorfreie Türkei« als Vorschlag eingereicht. Letztlich entschied sich der Parlamentspräsident Numan Kurtulmuş (AKP) für den Namen »Kommission für nationale Solidarität, Geschwisterlichkeit und Demokratie«. Einwände der sozialdemokratischen CHP und der Dem-Partei wurden abgelehnt.
Kurtulmuş dürfte in der Kommission eine entscheidende Rolle zukommen. Sie ist schließlich auf seinen Beschluss hin zusammengekommen – und nicht, wie von der Opposition gefordert, auf Grundlage eines eigenen Gesetzes. Dennoch nahmen am Dienstag Delegationen aller im Parlament vertretenen Parteien an der ersten Sitzung teil, mit Ausnahme der drei Gesandten der İyi Parti. Die ultrarechte Partei wettert bereits seit Beginn des Prozesses im Oktober vergangenen Jahres dagegen und wirft der Regierung aus AKP und MHP Verrat und Verhandlungen mit Terroristen vor.
Die Ziele der Kommission umfassen laut Entwurf eine »vollständige Überwindung des Terrorismus«, »Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts« und »Förderung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und nationaler Einheit«. Konkrete Beschlussbefugnisse hat sie nicht, allerdings soll sie Gesetzesentwürfe erarbeiten können und maßgeblich an der öffentlichen Willensbildung zum Dialogprozess zwischen PKK und türkischem Staat teilhaben. Gerade aus dem türkisch-nationalistischen Lager hatte es immer wieder starke Vorbehalte gegen Zugeständnisse an die kurdische Minderheit im Land gegeben.
Die Dem-Partei und auch die PKK hatten wiederholt die Wichtigkeit der Kommission und ihre eigenständige Arbeitsweise betont, weshalb sie auch die Einberufung durch Kurtulmuş kritisierten. Die Kommission müsse dafür sorgen, dass der Prozess öffentlich und transparent geführt werde – nicht hinter verschlossenen Türen, sondern für die gesamte Öffentlichkeit zugänglich. Einige Sitzungen werden aber wohl doch geheim bleiben. Bei diesen dürfte es vor allem um Militäroperationen, den nach wie vor unklaren Waffenniederlegungsprozess der PKK und weitere sensible Fragen gehen, zum Beispiel nach der Wiedereingliederung ehemaliger PKK-Kämpfer.
Ihre Arbeit nimmt die Kommission trotz der Sommerpause unverzüglich auf. Die gilt in der Regel ab Anfang Juli bis Anfang Oktober. Allein, dass die Kommission Anfang dieses Monats einberufen wurde, zeigt ihre Bedeutung. Künftig soll sie wöchentlich zusammenkommen. Bei der ersten Sitzung am Freitag sollen Vertreter des türkischen Sicherheitsapparats angehört werden. Neben Geheimdienstchef İbrahim Kalın, der schon an verschiedenen Gesprächen während des Prozesses teilgenommen hatte, sollen auch Innenminister Ali Yerlikaya und Verteidigungsminister Yaşar Güler dabeisein. Besonders interessant ist die Einladung des neuen Generalstabschefs der türkischen Armee, Selçuk Bayraktaroğlu. Er war erst Anfang des Monats überraschend an die Stelle von Metin Gürak gerückt, der in den vergangenen Jahren für die Militäroperationen der Türkei im Nordirak verantwortlich war. Ob der Prozess weitergeht, könnte von ihrer Einstellung abhängen. Trotz einer von der PKK erklärten Waffenruhe Anfang März greift die Türkei vor allem in der Region um die strategisch wichtige Bergkette Gare weiterhin Guerillastellungen der PKK an.
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