Schutzgelderpresser
Von Lucas Zeise
Nach dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung im Zollstreit mit den USA machen sich in EU-Europa Ärger und Enttäuschung breit. In Paris ist von »Unterwerfung der EU« die Rede. Besonders die der imperialen Politik Washingtons traditionell besonders zugetanen Kommentatoren wie der FAZ sind bitter enttäuscht.
Klaus-Dieter Frankenberger, früher verantwortlicher FAZ-Redakteur für Außenpolitik und heute Senior Fellow am American German Institute in Washington nennt Donald Trump einen »Schutzgelderpresser«: Kanzler Merz sehe zwar aufgrund der neuen Zölle auf Exporte nach Amerika »erheblichen Schaden« auf die deutsche Wirtschaft zukommen. Dennoch lasse er der europäischen Verhandlungsführerin, Parteifreundin Ursula von der Leyen, ein Dankeschön ausrichten. »Ein Dankeschön für Unterwerfung?«
Der Bundeskanzler hat sicher recht mit dem erheblichen Schaden. 15 Prozent Importzoll auf alle Importe aus der EU in die USA werden der erfolgsverwöhnten deutschen Industrie in deren größtem Absatzmarkt schaden. Und die Freude der Konsumenten darüber, dass US-Güter wie Harley-Davidson-Motorräder und in den USA gefertigte SUVs bei nunmehr null Importzoll in die EU billiger werden, hält sich wahrscheinlich in engen Grenzen. Man könne sich nicht einmal sicher sein, dass der in Schottland erzielte Deal bei der Sprunghaftigkeit Trumps von Dauer sei, klagt die Presse.
Erstaunlich an den jetzt so lauten Klagen ist schon, dass die Unterwerfung der Europäischen Union unter die Interessen der USA so spät entdeckt wird. Als Trump den Europäern in seiner ersten Amtszeit strikt verbot, mit dem Iran Geschäfte zu machen, sich an der Entwicklung der in diesem Land befindlichen riesigen Gasvorkommen zu beteiligen, wurde das noch freudig begrüßt. Die EU hat sich auch gern und an vorderster Front daran beteiligt, die Ukraine aus der wirtschaftlichen Bindung an Russland zu lösen, und sich unter Anleitung des früheren US-Präsidenten Biden die günstige und zuverlässige Energieversorgung aus Sibirien abknipsen lassen – mit erheblich schädlicheren Konsequenzen für die deutsche Wirtschaft, als es die Zölle sind.
Von der Leyen konnte taktisch nicht viel Besseres herausholen. Nicht einmal eine weitere 90-Tage-Frist, die Herr Trump der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum am Donnerstag abend zugestand, während so diverse Länder wie die Schweiz, der chinesische Inselstaat Taiwan und Brasilien einstweilen Zollsätze von 39, 20 und 50 Prozent aufgebrummt bekamen. Die Einfuhren aus Mexiko in die USA sind derzeit mit 510 Milliarden US-Dollar jährlich nach denen aus der EU (614 Milliarden US-Dollar) die zweithöchsten. Dabei sind von den Zollveränderungen vor allem viele US-Konzerne selber betroffen, die in Mexiko Waren für den US-Markt fertigen lassen. Trump hat viele Gründe, weshalb er zögert. Und Frau Sheinbaum muss nicht unterschiedliche Interessen der Kapitalistenklassen aus 27 Ländern vertreten.
Wie die erratische Zollpolitik der USA insgesamt ist der Deal zwischen den Vereinigten Staaten und der EU tatsächlich für beide Seiten schädlich. Er ist insofern als ein Zeichen für die Unfähigkeit der altkapitalistischen Länder zu lesen, einen Ausweg aus der seit 2008 sich verschärfenden Krise zu finden.
Unser Autor ist Finanzjournalist und Publizist. Er lebt in Aachen.
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Leserbrief von Onlineabonnent/in Heinrich H. aus Stadum (3. August 2025 um 14:44 Uhr)Es gibt mindestens einen Ausweg. Einer wird (u. a.) seit vielen Jahren aus der Lafontaine-Ecke vorgeschlagen, nämlich die Exportorientierung zugunsten der Binnennachfrage zu ändern. Man will aber weder vom Oskar noch vom Chinesen was lernen und macht lieber mit Lohndrückerei und sonstiger Austeritätspolitik als US-Vasall (Vasall: Freier in der Gefolgschaft eines Herrn, in dessen Schutz er sich begeben hat) weiter. Ungut für die Vasallen: Der Schutzherr steht mittlerweile in des Kaisers neuen Kleidern und ohne Schleier da.
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